Die Sprachen der Einwanderer: ein Plus in der beruflichen Qualifikation

Dr. Bernd MeyerDr. Bernd Meyer (Bild) vom Institut für Germanistik der Universität Hamburg hat untersucht, in welchen Berufsfeldern die Herkunftssprachen von Einwanderern von Nutzen sein können. Der Titel der Ende 2008 vorgelegten Studie lautet: „Nutzung der Mehrsprachigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund – Berufsfelder mit besonderem Potenzial.“ Auftraggeber war das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). In einem Gespräch mit dem Goethe-Institut hat Meyer die Ergebnisse vorgestellt.

Während es früher bei der Mehrsprachigkeit hauptsächlich um die Bewahrung des kulturellen Erbes gegangen sei, stünde heute der wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund. Ein hoher Bedarf sei zum Beispiel im Bereich der medizinischen und sozialen Versorgung vorhanden. Meyer erklärt: „Diejenigen, die diese Kommunikation herstellen, sind auch Migranten und zwar die gut integrierten, die erfolgreichen. Also zum Beispiel Krankenschwestern, Arzthelferinnen, Ärztinnen. Ihre Mehrsprachigkeit ist ein Plus in ihrer beruflichen Qualifikation – allerdings ein Plus, das sich häufig nicht auszahlt. Sie bekommen deshalb nicht mehr Geld.“

In der Wirtschaft verschafften mehrsprachige Mitarbeiter den Unternehmen oft handfeste wirtschaftliche Vorteile: „Uns sagen zum Beispiel Bankangestellte: Die Kunden kommen in diese Bank, weil ich hier sitze und ihnen auch auf Türkisch Auskunft geben kann.“ In Hamburg gebe es eine Drogeriemarktkette, bei der die Mitarbeiter kleine Fahnen auf ihren Namensschildern trügen, um zu signalisieren: „Mit mir können Sie auch Türkisch reden.“ Die Kleinarbeit im internationalen Handel werde auch in großen Unternehmen häufig von Einwanderern geleistet: „Wer ruft zum Beispiel beim Zoll in Istanbul an, wenn eine Lieferung nicht kommt?“

Meyer empfiehlt, mehrsprachige Mitarbeiter in Fortbildungsmaßnahmen gezielt auf sprachmittlerische Einsätze vorzubereiten. Generell müsse dies in Ausbildung und Personalentwicklung stärker zum Thema gemacht werden. Dies gelte auch für die Universitäten: „Es wäre sinnvoll, solche Dinge modular in die Studiengänge einzubetten – zum Beispiel fachsprachliches Türkisch für türkischsprachige Juristen oder Mediziner.“

Die Unternehmen in der Wirtschaft seien in dieser Hinsicht sehr viel weiter als der Staat mit seinen Behörden. Weil die deutsche Sprache als Amtssprache gesetzlich vorgeschrieben sei, dürfe ein Sachbearbeiter theoretisch seine Sprachkenntnisse gar nicht einsetzen. Meyer: „Das ist eine besondere Absurdität.“

Die EU-Sprachenpolitik bevorzuge die Nationalsprachen und autochthonen Minderheitensprachen gegenüber Einwanderersprachen. Denn die Förderung von Einwanderersprachen werde häufig als der Integration abträglich wahrgenommen. Eine Angst, die nicht völlig unbegründet sei.

Dr. Bernd Meyer abschließend: „Wir schlagen daher vor, die Förderung von Migrantensprachen in die Berufsausbildung beziehungsweise in den normalen Fremdsprachunterricht zu integrieren, ihn also aus der ,Ghetto-Ecke‘ herauszuholen. Die Förderung ist ein gesellschaftliches Anliegen. Es geht nicht darum, die Gruppenbildung unter Einwanderern zu fördern, sondern darum, Wege aufzuzeigen, wie deren Potenziale in die Aufnahmegesellschaft eingebracht werden können.“

Der vollständige Text der 65-seitigen Studie kann auf der BAMF-Website abgerufen werden.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Goethe-Institut, 2009-02. Bild: Universität Hamburg.]