Siegelmarken aus bedrucktem und geprägtem Papier mit feuchtklebender Rückseite wurden ungefähr ab 1850 bis 1920 verwendet, um Briefe mit amtlichen, wichtigen oder vertraulichen Unterlagen zu versiegeln.
Sie wurden von Behörden, Gerichten, Stadtverwaltungen, Universitäten, der Militärverwaltung und höheren Privatpersonen verwendet. Auch die Gerichtsdolmetscher gehörten zu der Personengruppe, die solche Briefverschlussmarken einsetzten.
Die Marken wurden auf die Rückseite von Briefumschlägen und Versandtaschen über die Verschlussklappe geklebt und sollten die Echtheit und Unversehrtheit einer Sendung oder eines Schriftstücks dokumentieren und gewährleisten.
Ob die Siegelmarken der gerichtlich vereidigten Dolmetscher und Übersetzer darüber hinaus auch auf beglaubigten Urkundenübersetzungen angebracht und damit ähnlich wie die heute gebräuchlichen Beglaubigungsstempel verwendet wurden, ist nicht bekannt und unerforscht.
Siegelmarken lösten Wachssiegel ab, wurden später durch Stempel verdrängt
Für ihre Zeit waren Siegelmarken fortschrittlich und innovativ. Sie lösten die bis dahin übliche, aber sehr umständliche Versiegelung von Papieren und Umschlägen mit Siegelwachs oder Siegellack in Verbindung mit einem Siegelstempel ab.
Siegelmarken verbreiteten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Preußen, Österreich sowie anderen deutschen Staaten und waren bis in die Zeit der Weimarer Republik in Gebrauch. Danach wurden sie zunehmend durch einfache Stempel und Prägestempel ersetzt.
Marken von Dolmetschern seltener als Blaue Mauritius
Insgesamt sind vermutlich noch einige Hunderttausend Siegelmarken erhalten und befinden sich in den Händen von Sammlern. Dabei handelt es sich aber überwiegend um Marken von Behörden, Gerichten und Stadtverwaltungen.
Uns sind lediglich zehn erhaltene Siegelmarken von freiberuflich für die Gerichte tätigen Dolmetschern im deutschen Sprachraum bekannt. Acht davon befinden sich im Besitz von UEPO.de. Diese zeitgeschichtlichen Dokumente im Kleinformat sind also noch seltener als bei Briefmarken die Blaue Mauritius, von der noch zwölf Exemplare existieren.
Von den hier abgebildeten Verschlussmarken stammen einige aus der Zeit der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Eine jahresgenaue Datierung der Marken ist schwierig, sie dürften aber alle mehr als 100 Jahre alt sein.
Die Marke der Gerichtsdolmetscherin am „königlichen Kammergericht zu Berlin“ muss spätestens 1918 gedruckt worden sein, denn in diesem Jahr dankte der preußische König Wilhelm II. ab, der in Personalunion auch deutscher Kaiser war. Schon im Jahr danach war das Kammergericht nicht mehr „königlich“.
Größe entspricht Beglaubigungsstempel
Die abgebildeten Marken haben im Original einen Durchmesser von 3,5 bis 4,2 cm, entsprechen in der Größe also den heute üblichen Beglaubigungsstempeln gerichtlich ermächtigter Urkundenübersetzer.
Die am 23.08.1856 in Amsterdam geborene Aleida Jansma van der Ploeg war niederländische Staatsangehörige, lebte bis 1930 in Berlin und zog dann im Alter von 74 Jahren zurück in die Niederlande nach Den Haag, wo sie im Botschaftsviertel unter der Adresse van Stolkweg 23 gemeldet war, wie aus Unterlagen des Bevolkingsregisters der Stadt Den Haag hervorgeht. Heute sind in der großzügigen Villa die Vertretung Taiwans und mehrere Firmenvertretungen untergebracht.
Sigmund Karplus wurde am 12.11.1861 in Horní Moštěnice, Bezirk Přerov, im damals zu Österreich gehörenden Königreich Böhmen (heute Tschechien) geboren und starb im Alter von 66 Jahren am 16.08.1928, wahrscheinlich in Wien.
Im Internet sind darüber hinaus Abbildungen der folgenden beiden Marken nachzuweisen:
Diese Marke entspricht in ihrer Gestaltung exakt der uns vorliegenden Siegelmarke von C. F. Rempen. Dies deutet darauf hin, dass zumindest einige Gerichte die Form, Farbe und Abmessungen der Siegelmarken vorgegeben haben.
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Richard Schneider