Der bekannte Schweizer Soziologe, Politiker und Autor Jean Ziegler (76) ist derzeit Mitglied in einem Ausschuss des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen. Der als Querdenker und Globalisierungskritiker geltende ehemalige Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei im Schweizer Nationalrat erklärt in einem Gastbeitrag für die Berner Gewerkschaftszeitung work, warum er nichts vom Dolmetschdienst der UNO hält:
Sprache als Waffe
Mary Robinson, die ehemalige Präsidentin Irlands, [ ] gab mir einen Rat, für den ich ihr noch heute dankbar bin: «Wo immer Sie reden, ob in der Generalversammlung, in einem Komitee, in der Menschenrechtskommission: Sie müssen englisch reden.» Ich sass in ihrem grossen Büro am Ufer des Genfersees und war erstaunt. Französisch ist eine der sieben offiziellen Uno-Sprachen. In jedem Gremium der Weltorganisation arbeiten Scharen hochkompetenter Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Jedes Wort wird sofort übersetzt. «Sie irren», sagte Robinson sanft. «Die meisten Diplomaten verstehen neben ihrer Muttersprache nur Englisch. Und wer kontrolliert die englischsprachigen Dolmetscher? Die Amerikaner!» Ich hatte begriffen: Damit meine Argumente nicht entstellt werden (willentlich? unwillentlich?), rede ich seither immer englisch. Genauer: mein amerikanisches Primitivenglisch, das aus ungefähr 500 Wörtern besteht.
[Text: Richard Schneider. Quelle: work, 2010-11-04.]