Geheimhaltung um Rowling-Roman: Übersetzerinnen mussten an angeketteten Laptops arbeiten

J. K. Rowling: Ein plötzlicher TodesfallHeute ab 9:00 Uhr darf das neue Buch von Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling verkauft werden – und keine Minute früher. Der gleichzeitige Verkaufsstart in allen Buchhandlungen bewirkt, dass sämtliche Medien darüber berichten und so kostenlos Werbung für das Werk machen. Ein Verkaufstrick, der sich schon bei Harry Potter bewährt hat und den zum Beispiel auch Apple als verkaufsfördernde Maßnahme für Telefone und Computer einsetzt.

Worum geht es in dem neuen Roman der britischen Autorin, der unter dem deutschen Titel Ein plötzlicher Todesfall (The Casual Vacancy) in die Läden kommt? Das weiß keiner so genau, denn: „Das ist das geheimste Buch, das wir je gemacht haben“, so Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz, die in einigen Monaten die Taschenbuch-Ausgabe herausbringen darf, nachdem der Carlsen-Verlag jetzt erst einmal mit der Hardcover-Ausgabe abkassiert.

Deutsche Übersetzerinnen arbeiteten vor Ort in London an dreifach gesicherten Laptops

Die Geheimniskrämerei ging diesmal so weit, dass die deutschen Übersetzerinnen Susanne Aeckerle und Marion Balkenhol nur vor Ort in London arbeiten durften – an Laptops, die am Tisch angekettet waren. Die Augsburger Allgemeine berichtet:

Rowlings Stil sei nicht einfach zu übersetzen, finden Susanne Aeckerle und Marion Balkenhol, die gemeinsam für die deutsche Fassung verantwortlich sind. „Anfangs legt man munter los, aber der Teufel steckt im Detail“, berichteten sie. Das Duo hatte nur vier Wochen Zeit für die mehr als 500 Seiten, es musste im Gebäude des Verlags „Little, Brown“ in London arbeiten. Die Laptops seien mit dreifachen Codewörtern gesichert und mit einem Sicherheitsschloss am Schreibtisch angekettet gewesen, erzählten die beiden. In der Druckerei gab es Taschenkontrollen für die Mitarbeiter, die Auslieferung erfolgte in verplombten Lastwagen.

Über die Aufteilung der Übersetzung auf mehrere Übersetzer scheint sich in der Literaturübersetzerbranche kaum noch jemand aufzuregen. Bei Bestseller-Übersetzungen hat sich diese Vorgehensweise inzwischen zur Regel entwickelt. Vor drei Jahren hatte die Übertragung eines Dan-Brown-Romans ins Deutsche noch für Aufsehen gesorgt, weil damals gleich sechs Übersetzer angeheuert wurden, um 509 Seiten in 10 Tagen zu übersetzen.

Die Aufteilung bewirkt übrigens nicht, dass die Übersetzer entspannter arbeiten können. Der Zeitdruck ist enorm, die Tagesleistung liegt für Literaturübersetzer weit über dem Durchschnitt. Für den Rowling-Roman ergeben sich durchschnittlich 12,5 Seiten pro Übersetzerin und Arbeitstag, wenn man von 20 Arbeitstagen innerhalb der genannten vier Wochen ausgeht.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Augsburger Allgemeine, 2012-09-26. Bild: Carlsen.]