In einem Interview mit der Badischen Zeitung hat die Freiburgerin Anja Peschel über ihren Beruf, das Dolmetschen, gesprochen. Die 46-jährige Diplom-Dolmetscherin für Englisch und Spanisch hat an der Universität des Saarlandes, am Ealing College of Higher Education und an der University of Westminster (London) studiert. Seit 1998 ist die dreifache Mutter in Freiburg tätig. Ihr Büro hat acht Angestellte und eine Niederlassung in Oxford.
Zur Frage, wie man vorgehen sollte, wenn man beim Dolmetschen etwas nicht genau verstanden hat, sagt Peschel:
Kleine Pausen sind möglich, um sich zu sammeln. Beim Simultandolmetschen sitzt auch ein Kollege zur Unterstützung neben einem in der Kabine. Zur Not kann man sich auch im Nachhinein verbessern oder eben etwas Allgemeines sagen. Zum Beispiel: „Dies ist eine interessante Grafik“, statt: „Diese Grafik zeigt …“. Nichts dazuzudichten und nichts wegzulassen, das gehört zu unserem Berufsethos.
Der Beruf des Dolmetschers sei nach dem des Piloten der zweitstressigste überhaupt, so Peschel. Die größten Herausforderungen in ihrem Beruf stellen bei vielen Kollegen Zahlen dar, sie selbst tue sich allerdings mit Eigennamen und Abkürzungen schwer. Am schlimmsten sei für sie allerdings das Arbeiten mit dem „global English“, auch „bad simple English“ (BSE) genannt.
Freiburg ist nicht gerade als internationale Kongressstadt bekannt. Für Peschel ist dies aber kein Grund wegzuziehen:
Wir haben hier zu tun. Sei es bei der Messe Interbrush, sei es für die Solarindustrie oder sei es für die Universität. Auch im Europa-Park in Rust finden viele Kongresse statt. Dennoch bin ich zu zwei Dritteln auf Veranstaltungen außerhalb der Region unterwegs, zum Beispiel in der Schweiz, in Berlin oder in Stuttgart. Mit dem AIIC-Kongress hier vor Ort wollen wir unseren Kollegen natürlich auch zeigen, dass Freiburg nicht das Ende der Welt ist.
Zudem berichtete die Diplom-Dolmetscherin, wie sich die Arbeit in den letzten Jahren gewandelt hat. Konferenzen mit technischem Schwerpunkt nähmen zu. Neu sei auch das „remote interpreting“, bei dem der Dolmetscher nicht mehr vor Ort sitzt, sondern nur an einer Art Videokonferenz teilnimmt. Eine weitere Tendenz, die sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet habe, sei der Rückgang der Aufträge fürs Konsekutivdolmetschen – aus Effizienzgründen. Das Konsekutivdolmetschen dauere schlichtweg zu lange, weshalb fast nur noch das Simultandolmetschen verlangt werde.
Die Folge: Wir sitzen nicht mehr direkt zwischen den Gesprächspartnern, sondern sind in die Kabine verbannt worden. Die, die uns hören, sehen uns nicht mehr. Das ist schade, das ist eine Entpersonalisierung.
Auf die Frage, warum das Dolmetschen insbesondere ein Beruf für Frauen ist, antwortete Peschel:
Vielleicht, weil sie empfänglicher für fremde Sprachen sind und auch so genanntes „multi-tasking“ besser beherrschen als die Männer. Dann stehen Dolmetscher selbst nie im Vordergrund, sie sind nur das Medium im Hintergrund, die Stimme aus der Kabine. Kann sein, dass dies die Männer nicht am Job reizt.
Abschließend plaudert die Freiburgerin ein wenig aus dem Nähkästchen:
Mein bislang schönstes Erlebnis war 2006 der Job in Basel zum 100. Geburtstag des Chemikers Albert Hofmann, der die Droge LSD entdeckt hat. Da war eine interessante Mischung von Leuten: Wissenschaftler, Künstler, Schamanen, Popstars und kiffende Hippies. Der alte Hofmann erzählte ihnen von seinem ersten Trip, das war spannend.
Das vollständige Gespräch kann auf der Website der Badischen Zeitung abgerufen werden.
Weiterführender Link
[Text: Jessica Antosik. Quelle: badische-zeitung.de, 9.11.2012. Bild: Peschel.]