World Server, Plunet, OTM & Co.: Übersetzungsmanagement per Knopfdruck?

„Unser System kann alles“. So oder ähnlich verläuft manch ein Verkaufsgespräch. Für die, die regelmäßig Dokumente, Websites oder andere Medien in viele Sprachen zu übersetzen haben, ist die Vorstellung verführerisch. Man legt sein Projekt im System an. Von da an wird der Auftrag automatisch oder halbautomatisch an die verschiedenen „Produzenten“ weitergereicht, bis er schließlich dank einer Vielzahl intelligenter Funktionen und Prüfmechanismen in perfekter Ausführung in den gewünschten Sprachen und Formaten zurückkommt.

Dadurch könnte man den gesamten Übersetzungsprozess im Unternehmen in Eigenregie koordinieren. Der Mehrwert von Übersetzungsbüros wäre dadurch verschwunden oder deutlich geschmälert. Man bräuchte nur das alleskönnende System zu kaufen. Welche sind diese Systeme, wo liegen ihre Stärken und Grenzen und worauf ist zu achten?

Immer mehr Sprachen in immer kürzerer Zeit

Getreu dem alten Motto von Karl Valentin, „früher war die Zukunft auch besser“, hätte man sich vor 20 oder 30 Jahren die heutige Entwicklung in der Dokumentations- und Übersetzungsbranche nicht erträumen können. Immer mehr Dokumente und Dokumentationsvarianten werden in immer kürzerer Zeit in noch mehr Sprachen produziert. Dies unter einen Hut zu bringen und zu steuern, ist eine Herausforderung, die viele Verantwortliche im Übersetzungsprozess beschäftigt.

Ein Übersetzungsprozess besteht oft aus 5 oder 6 Standardschritten und kann in vielen Situationen deutlich an Komplexität zunehmen. Wenn man diese Schritte mit der Anzahl der Zielsprachen und der zu bearbeitenden Dateien multipliziert, dann erreicht man Projektmanagementaufgaben, bei denen leicht zweistellige Mitarbeiterzahlen und Zwischentermine sowie dreistellige Dateiversionen zu überwachen sind. Gleichzeitig nimmt durch die Wiederverwendung vorhandener Übersetzungen die Nettomenge an übersetzten Wörtern tendenziell eher ab. Mehr Verwaltungsarbeit für weniger Netto-Output …

Selbst Projektmanager haben kaum noch den Gesamtüberblick

In der heutigen Praxis von großen oder mittelgroßen Übersetzungsdienstleistern (Multi-Language Vendors, MLVs) gibt es nur noch in Ausnahmefällen Projektmanager, die die gesamte Produktionskette von der Projektannahme bis hin zur Lieferung der Übersetzung und Pflege der Datenbestände beherrschen. Der Projektmanager ist die Schnittstelle zum Auftraggeber. Hinter ihm stehen meistens nicht wenige Mitarbeiter, die sich auf einzelne Aufgaben spezialisiert haben: Technische Vorbereitung von Dateien, Erstellen von Makros oder Programmen zur Lösung von Aufgaben, Übersetzen, Extraktion der Terminologie, Lektorat, Layout usw.

Diese Einzelaufgaben sind in der Summe so vielseitig geworden, dass selten ein Mensch allein alles auf dem jeweils erforderlichen Niveau versteht. Das spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass die Anzahl von Individual-Workflows eher zunimmt.

Workflowsysteme befreien hier den Projektmanager nicht von seiner kreativen Aufgabe: Wie lassen sich Texte in Elektroplänen austauschen, wie kann man die Codierung einer Datei ändern, wie können Textänderungen extrahiert werden? Dieses sind nur einige wenige Beispiele, die die täglichen Herausforderungen eines Projektmanagers widerspiegeln. Hierbei handelt es sich oft auch um Situationen, für die man keine Lösung von der Stange anwenden kann.

Ein weiterer Aspekt der Arbeit und Verantwortung des Projektmanagers betrifft die Qualitätssicherung von Übersetzungen und die anschließende Pflege der Translation Memories und Terminologiedatenbanken. Für diese Aufgabe ist der Zugriff auf Fachleute erforderlich, die die notwendigen sprachlichen und fachlichen Kompetenzen besitzen.

Während der MLV nach einheitlichen Prinzipien und eventuell mit Unterstützung entsprechender Softwareprodukte wie ErrorSpy gewährleisten kann, dass Griechisch genauso akkurat geprüft wird wie Russisch oder Englisch, tut sich der einzelne Übersetzungskoordinator im Unternehmen oft schwer, Ähnliches zu erreichen. Hier macht das beste Workflowsystem der Welt wenig Unterschied.

Haupfaufgaben der Übersetzungsmanagement-Systeme

Was ist nun mit der Aussage „Unser System kann all das“? Es gibt ein breites Spektrum von Workflowsystemen, die die Organisation und die Abwicklung von Übersetzungsprojekten unterstützen. Deren Leistungsumfang und Konzepte variieren, aber sie teilen auch gemeinsame Merkmale:

  • Sie verwalten Übersetzungsprojekte oder verwandte Projekte.
  • Sie verwalten Ressourcen und Auftraggeber.
  • Sie lassen die Aufteilung eines Projektes in Unterprojekte (z. B. Sprachpaare) und Arbeitsschritte (z. B. Vorbereitung – Übersetzen – Qualitätssicherung und Versand) zu, denen einzeln Ressourcen und Termine zugewiesen werden.
  • Sie ermöglichen (meistens) eine Online-Zusammenarbeit.
  • Sie übernehmen gewisse kaufmännische und organisatorische Aufgaben (Kostenvoranschlag und Abrechnung, Informationsprotokolle, Berichtswesen…).

Unterschiede kommen beim Grad der Automatisierung vor, bei Zusatzfunktionen wie CRM, bei der Bereitstellung von Portalen, bei der Integration von Translation Memory und maschinellen Übersetzungssystemen oder von Qualitätssicherungstools.

Übersetzungsmanagementprogramme
Einige der am Markt angebotenen Programme für das Übersetzungsmanagement

In welche Kategorien lassen sich diese Systeme einteilen? Zuerst einmal gibt es die Systeme der Anbieter von Übersetzungstechnologien, die den Workflow mit den eigenen Übersetzungstechnologien verbinden: Across Language Server von Across, Star James von der Star AG, SDL WorldServer von SDL. Auch webbasierte Übersetzungssysteme wie Mem-Source oder XTM kann man dieser Gruppe zuordnen. Manche dieser Systeme unterstützen den freien Projektaustausch (Import UND Export) mit Drittsystemen über Standards wie XLIFF und geben somit dem Übersetzungslieferanten eine gewisse Bewegungsfreiheit für die Auswahl der am besten geeigneten Fachübersetzer. Andere schränken den Export und Reimport der Projekte in XLIFF-Format ein.

Daneben findet man Systeme wie Plunet, LTC Worx oder XTRF, die sich auf die Workflow-Funktionen konzentrieren und mehrere Translation-Memory-Systeme integrieren. Zuletzt gibt es selbstgestrickte nicht-kommerzielle Lösungen, die einzelne MLVs oder Übersetzungsabteilungen für den eigenen Bedarf entwickelt haben.

Wer jede Woche oder jeden Tag eine bestimmte Anzahl von Übersetzungsprojekten und Sprachen organisiert, kann von diesen Workflow- und Verwaltungssystemen profitieren. Die Frage ist nur, wer soll sie anschaffen und einrichten, wer soll im Grunde die Übersetzungsfunktion mit all dem, was dies bedeutet, übernehmen?

Übersetzungsmanagementsysteme funktionieren mit bekannten und vordefinierten Standardprojekten und -workflows. Jede neue Anforderung muss man einzeln konfigurieren. Was die Systeme nicht übernehmen, ist eine Vielzahl von Entscheidungen und Aktivitäten, die bisher zur Urkompetenz von MLVs gehören: Terminologie extrahieren und erfassen, Qualitätsprobleme rechtzeitig bei allen Sprachen erkennen, fortlaufend zusätzliche Ressourcen evaluieren und einsetzen, eine Vielzahl von Technologien bereithalten oder spezielle technische Probleme lösen, um einige zu nennen. Das können die MLVs in vielen Fällen besser. Sie haben über die Jahre durch die Organisation vieler Projekte für verschiedene Kunden einen Schatz an Erfahrungen, Lösungen und Werkzeugen gesammelt.

Software ist personal- und schulungsintensiv

Die Anschaffung eines Übersetzungsmanagementsystems ist in der Regel nicht nur mit relativ hohen Investitionen in Software, Wartung und Schulungsmaßnahmen, sondern auch mit Personalinvestitionen verbunden. Diese Systeme sind ja keine Selbstläufer. Wer sich also für diese Option entscheidet, muss sich dessen klar sein, dass er damit auch das sprachliche und technische Knowhow mit aufbauen muss, ohne das moderne Workflowsysteme ihre Vorteile nicht entfalten können.

Eine Alternative bildet die enge Zusammenarbeit mit einem oder einigen wenigen MLVs, die selbst solche Technologien einsetzen oder bereitstellen. Sie übernehmen die entsprechenden Aufgaben und Verantwortung für die Qualität der Translation Memories und helfen gleichzeitig dem Auftraggeber, den eigenen Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten.

[Text: D.O.G. GmbH. Quelle: D.O.G. news 4/2013, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Dr. François Massion. Bild: D.O.G. GmbH.]

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