OLG Stuttgart: Kein Anspruch auf Übersetzung eines Urteils in Sprache des Angeklagten

„Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, ein nicht rechtskräftiges Urteil schriftlich in die ausländische Sprache des Angeklagten übersetzen […] zu lassen, wenn der der deutschen Sprache nicht mächtige Angeklagte in der Hauptverhandlung anwesend war, die Hauptverhandlung laufend durch einen Dolmetscher für den Angeklagten übersetzt wurde und dieser einen Verteidiger hat.“ Das hat im Januar 2014 das Oberlandesge- richt (OLG) Stuttgart entschieden.

In der Begründung heißt es:

Gem. § 184 S. 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Strafgerichtliche Urteile werden daher in deutscher Sprache abgefasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 184 Rn. 3), einer schriftlichen Übersetzung in eine dem Angeklagten verständliche Sprache bedarf es grundsätzlich nicht.

Auch aus der Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren lässt sich nach Ansicht des Gerichts kein Anspruch auf Übersetzung herleiten:

Art. 3 der Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (ABl. L 280 vom 26.10.2010, S. 1-7). Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Übersetzung nicht rechtskräftiger Urteile zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte in der Regel erforderlich.

 

Nach S. 2 ist eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Gemäß S. 4 kann an die Stelle der schriftlichen Übersetzung eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist nach S. 5 in der Regel auszunehmen, wenn der Beschuldigte – wie hier – einen Verteidiger hat.

Prozessualer Hintergrund

Ein türkischer Staatsbürger kurdischer Volkszugehörigkeit hatte beantragt, ein gegen ihn ergangenes Urteil ins Türkische übersetzen zu lassen. Der Mann, der Türkisch und Zaza, aber nur wenig Deutsch spricht, war am 12. Juli 2013 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.

Das damalige Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Verteidigung Revision eingelegt hat. Die schriftliche Urteilsbegründung hat einen Umfang von 278 Seiten. Sie wurde dem Angeklagten in deutscher Sprache zugestellt.

Weiterführender Link

Der Beschluss des OLG Stuttgart (vom 09.01.2014, 6 – 2 StE 2/12) kann in voller Länge auf der Website „Landesrechtsprechung Baden-Württemberg“ in der Juris-Datenbank (Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland) abgerufen werden.

[Text: Richard Schneider. Quelle: juris.de. Bild: ojoimages4 / Fotolia.]