Ausstellung in Germersheim: Ein Prozess, vier Sprachen – Die Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen

Dolmetscher Nürnberger Prozesse
Pionierarbeit unter schwierigsten Bedingungen: Offene Dreierkabinen und störungsanfällige Technik. Das Bild zeigt im Vordergrund die englische, dahinter die französische Kabine.

70 Jahre nach Kriegsende stehen die Dolmetscher und ihre Tätigkeit bei den Nürnberger Prozessen gegen führende Vertreter der NS-Herrschaft im Mittelpunkt der Ausstellung, die am Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in Germersheim gezeigt wird.

Die Dolmetscher und ihre Tätigkeit bei den Nürnberger Prozessen gegen führende Vertreter der NS-Herrschaft stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Die Ausstellung gastiert nach Etappen in Nürnberg, Berlin und Heidelberg im Mai in Germersheim.

Der Zeitpunkt fällt auf den 70. Jahrestag des Kriegsendes – und des aktuell in Lüneburg stattfindenden letzten NS-Prozesses. Beim Ausschwitz-Prozess in Lüneburg wird in den Sprachen Englisch, Hebräisch, Ungarisch und Deutsch simultan gedolmetscht. Beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von 1945 bis 1946 war die simultane Verdolmetschung in den Sprachen Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch noch ein Novum. Der Prozess wurde in allen vier Sprachen geführt und den Dolmetschern oblag die wichtige Aufgabe, sicherzustellen, dass alle Prozessteilnehmer ohne Zeitverzug verstanden und verstanden wurden.

Die Technik des Simultandolmetschens war zu diesem Zeitpunkt kaum erprobt. Die Dolmetscher sorgten bei den sogenannten Nürnberger Prozessen, die aus einem Haupt- sowie zwölf Nachfolgeverfahren bis ins Jahr 1949 bestanden, für die zügige Verständigung zwischen Richtern, Anklägern, Verteidigern, Angeklagten und Zeugen, sie verhalfen damit auch der Technik des Simultandolmetschens zum Durchbruch.

Im Mittelpunkt der Präsentation stehen Biographien der an den Prozessen beteiligten Dolmetscher, die – sofern fast 70 Jahre später noch rekonstruierbar – mithilfe von Text- und Bildmaterialien vorgestellt werden.

Programmübersicht

Freitag, 08. Mai 2015, 11.20-13.00 Uhr:
Eröffnung der Ausstellung: „Ein Prozess – Vier Sprachen“
Dolmetschraum 1 (Dol. 1) des FTSK in Germersheim
Es war eine mutige Entscheidung, die weitgehend unbekannte Technik des Simultandolmetschens einzusetzen, um die zügige Kommunikation zwischen den Prozessparteien in vier Sprachen zu ermöglichen. Wie wurde diese Aufgabe bewältigt? Wer waren diese Pioniere des Dolmetschens und wie erlebten sie diesen historischen Moment? Die außergewöhnlichen Biographien der Dolmetscher bilden ein einmaliges Panorama der Zeitläufte des 20. Jahrhunderts.

  • Einführende Worte: Univ.-Prof. Dr. Dörte Andres, Leiterin des Arbeitsbereichs Dolmetschwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Grußwort: Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Vortrag: Dipl.-Dolmetscherin Elke Limberger-Katsumi, AIIC Region Deutschland, Kuratorin der Ausstellung

Die Veranstaltung wird simultan in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Polnisch, Russisch und Spanisch gedolmetscht und als Livestream übertragen.

Montag, 11. Mai 2015, 18.00-19.30 Uhr:
Lesung und Diskussion: „Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit: Erinnerungen der russischen Dolmetscherin Tatjana Stupnikova an den Nürnberger Prozess“
FTSK Germersheim, Raum 348 (1. Stock Neubau)
In Nürnberg erfuhr die Weltöffentlichkeit nicht nur vom Ausmaß der deutschen Verbrechen; auch für die Siegermächte politisch brisante Themen kamen zur Sprache. Eine schwierige Zwangslage für die sowjetischen Dolmetscher, die in Nürnberg erstmals von den geheimen Zusatzprotokollen zum Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und der Ermordung polnischer Offiziere in Katyn durch die Rote Armee erfuhren. Das war 1946 eine sensationelle Neuigkeit – und gleichzeitig in der totalitären Sowjetunion verbotenes Wissen. Die Verdolmetschung der Aussagen von deutschen Tätern, Zeugen und Überlebenden stellte manche der sowjetischen Dolmetscher vor eine persönliche Zerreißprobe – wie mit dem Wissen umgehen?

  • Moderation: Univ.-Prof. Dr. Dörte Andres, Leiterin des Arbeitsbereichs Dolmetschwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Einführung: Daria Shirokova, MA-Dolmetscherin, Lehrkraft für Russisch, Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft, Universität Mainz
  • Lesung aus dem übersetzten Werk: Kristina Gette, Marina Rybalkina, Julia Steitz, Margarita Singer
  • Diskussion mit den Übersetzerinnen

Literaturhinweis: „Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit: Erinnerungen der russischen Dolmetscherin Tatjana Stupnikova an den Nürnberger Prozess.“ Dörte Andres/Martina Behr (Hg./eds), Verlag Frank und Timme, Berlin 2014

Dolmetscher Nürnberger Prozesse
Der für die Kriegsverbrecherprozesse umgebaute Schwurgerichtssaal 600 am 30.09.1946: Auf der linken Seite vor den Wachsoldaten die beiden Reihen mit Angeklagten. An der hinteren Wand links die vier offenen Dolmetschkabinen, in der Mitte hinten der Zeugenstand, im Vordergrund das Pult für die Vertreter der Anklage bzw. Verteidigung, auf dem oben rechts gut die beiden Glühbirnen (eine gelbe und eine rote) zu erkennen sind, über die die Dolmetscher den Rednern anzeigen konnten, langsamer zu sprechen bzw. darauf aufmerksam machten, dass die Simultantechnik gerade ausgefallen war, was häufiger vorkam. Auf der rechten Seite das Podium mit den Richtern.

Öffnungszeiten

Eröffnung im Rahmen der öffentlich zugänglichen Freitagskonferenz am FTSK: Freitag, 8. Mai 2015, 11.20-13.00 Uhr in Dol. 1 des FTSK Germersheim im Keller des Neubaus und Videoübertragung in Raum 328 (EG, Neubau)

Öffnungszeiten: Täglich (außer Sonntag) von 08.00-18.00 Uhr im Foyer des Neubaus des Fachbereichs Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK)

Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK), An der Hochschule 2, 76726 Germersheim

Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen: www.facebook.com/EinProzess.VierSprachen
Livestream der Eröffnung unter: www.fb06.uni-mainz.de/stefl/251.php

Über die AIIC

Die Association Internationale des Interprètes de Conférence (AIIC) ist der internationale Verband der Konferenzdolmetscher. Sie vertritt über 3.000 Mitglieder in 100 Ländern. Seit ihrer Gründung 1953 sichert die AIIC eine verbindliche Qualität im Konferenzdolmetschen. Der Verband setzt Standards in den Arbeitsbedingungen und garantiert für Professionalität und höchste Qualifikation seiner Mitglieder. Die AIIC ist anerkannte Verhandlungspartnerin vieler internationaler Organisationen und ihrer Sprachendienste. Hauptsitz des Verbands ist Genf. Die AIIC Region Deutschland ist die Interessensvertretung der rund 300 in Deutschland ansässigen AIIC-Mitglieder.

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[Text: AIIC. Quelle: Pressemitteilung AIIC, 2015-04-30. Bild: AIIC; Pressematerial der museen der stadt nürnberg.]