Stern: Dolmetscher „profitieren“ von Flüchtlingen – Aufträge lassen „Kassen klingeln“

Geld„Zelt-Hersteller, Dolmetscher, oder Catering-Unternehmen freuen sich über zahlreiche neue Aufträge für die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge.“ Das behauptet die Illustrierte Stern auf ihrer Website und beruft sich auf einen Artikel der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Unter der Überschrift „Dachdecker, Köche, Dolmetscher: Diese Berufe profitieren von den Flüchtlingen“ heißt es: „Für die Versorgung der Flüchtlinge geben Bund und Länder in diesem Jahr Milliarden aus. Nicht nur bei Baufirmen lassen diese Aufträge die Kassen klingeln.“

Es folgen Absätze zu den Themen Traglufthallen, Zelte, Verpflegung, Wohnungsbau, Handwerk und Dolmetscher:

Dolmetscher: Auch Übersetzer freuen sich über viele Aufträge von Kommunen und Behörden. Der Münchner Übersetzungsanbieter lingoking, der fast 5000 Dolmetscher und Übersetzer im Netz hat, meldet eine „deutlich gesteigerte Nachfrage.“ „Wir erhalten fast täglich Anfragen von Behörden aus ganz Deutschland, die für eine reibungslose Kommunikation mit den Flüchtlingen auf kompetente Dolmetscher und Übersetzer angewiesen sind“, sagt Vertriebsleiter Friedemann Holland. Einige Sozialämter ließen zur Zeit beispielsweise Willkommensbroschüren in die jeweiligen Muttersprachen der Flüchtlinge übersetzen.

Stern zeichnet falsches Bild: Dolmetscher profitieren nicht von boomender Asylindustrie

Es gibt Branchen und Berufsgruppen, die zurzeit die Geschäfte ihres Lebens machen und die man durchaus als „Profiteure des Flüchtlingselends“ bezeichnen könnte. Hierzu gehören etwa die Besitzer von Schrottimmobilien jeglicher Größe. Diese Wohnungen, Wohnkomplexe und Industriehallen waren zuvor unvermietbar und versprechen jetzt auf Jahre hinaus einträgliche Geschäfte.

Die Berufsgruppe der Dolmetscher und Übersetzer gehört nach den Beobachtungen und Erfahrungen von uepo.de aber nicht zu den „Profiteuren“ der Völkerwanderung aus dem arabischen Raum. Denn von ihr wird erwartet, dass kostenlos oder für eine eher symbolische Aufwandsentschädigung (etwa wie in Berlin 13 Euro pro Dolmetscheinsatz) gearbeitet wird.

Deshalb wird die Dolmetscharbeit vor Ort in den Notunterkünften und Aufnahmezentren hauptsächlich von Laiendolmetschern geleistet, die ihre Freizeit opfern, um eine Kommunikation mit der Verwaltung in den Lagern und den Behörden überhaupt erst möglich zu machen.

Uepo-Herausgeber und Übersetzungsbüro-Betreiber Richard Schneider berichtet aus seiner eigenen Übersetzungspraxis: „Natürlich ist das, was sich zurzeit in Sachen Einwanderung vollzieht, in der Branche spürbar. Auch wir erhalten entsprechende Anfragen von Behörden und Hilfsorganisationen. Aber es lassen sich keine Geschäfte damit machen. Wir haben uns entschieden, an einem Pro-bono-Projekt mitzuwirken, können solche Aktivitäten aber aus finanziellen Gründen auch nicht ausufern lassen.“

Eine Auftragsflut für die Profis dieses Marktsegments, die vereidigten Gerichtsdolmetscher, ist erst zu erwarten, wenn die vielen Hunderttausend Einwanderer, die keinen Asylgrund vorweisen können, massenhaft Klage gegen ihre Abschiebung einreichen werden.

Doch diese Verfahren sind in der Regel aussichtlos und dienen nur dazu, die Abschiebung zu verzögern. Zu Dolmetschen gibt es oft nichts, weil die Kläger gar nicht erst erscheinen (siehe Link unten), sodass auch diese Aufträge zwar zahlreich, aber für Dolmetscher dennoch nicht lukrativ sein dürften.

Links zum Thema auf uepo.de

[Text: Richard Schneider. Quelle: Stern.de, 2015-10-26. Bild: Anne Katrin Figge / Fotolia.]