20 Jahre CLS Communication: Gespräch mit Firmengründerin Doris Albisser

Doris Albisser
Doris Albisser hat CLS Communication von der Gründung bis zum Verkauf in leitender Funktion begleitet. - Bild: CLS

Im Jahr 2017 konnte die schweizerische CLS Communication ihren 20. Geburtstag feiern. Das Unternehmen entstand 1997 aus den ausgegliederten Sprachendiensten des Schweizerischen Bankvereins (SBV) und von Zurich Insurance.

Aus diesem Anlass führte die CLS-Marketingabteilung ein Gespräch mit Gründerin Doris Albisser, das wir nachfolgend wiedergeben. Albisser erinnert sich im Interview an die Anfangszeit von CLS Communication. Sie erzählt, wie sie und ihre Crew CLS auf Wachstumskurs gebracht haben. Und sie verrät, nach welchem Motto sie CLS geführt hat.

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Doris, im Juli ist CLS 20 Jahre alt geworden. Welche Erinnerungen hast du an den Sommer 1997? Wie sind die ersten Wochen und Monate bei CLS verlaufen?

Wir starteten mit den ausgegliederten Übersetzungsdiensten des Schweizerischen Bankvereins (SBV) und von Zurich Insurance, das heisst mit 40 Mitarbeitern an den Standorten Basel, Zürich, Lausanne und Chiasso.

Es war ein bewegter Anfang. Sechs Monate nach der Gründung kündigten der SBV und UBS ihren Merger an. Wir waren so richtig gefordert. Es galt, die gewünschten Dienstleistungen trotz Zeitdruck und fehlender Ressourcen in bester Qualität zu erbringen. Ein elektronischer Workflow stand noch nicht, doch wir verfügten über die erforderlichen Sprachtechnologien.

Was waren die strategischen und operativen Ziele von CLS in der Anfangszeit? Wie entwickelten sich die Ziele mit den Jahren weiter?

Wir hatten einen klaren Fokus auf Business Process Outsourcing (BPO). CLS war 1997 selbst aus einem BPO hervorgegangen, und unser Geschäftsmodell fusste auf derselben Grundlage. Wir waren die Ersten in Europa, die BPO im Übersetzungsbereich auf dem Markt anboten.

Wir hatten uns mit dem SBV und Zurich Insurance seit dem Start zum Ziel gesetzt, die Firma für einen Management-Buy-out (MBO) fit zu trimmen. Der MBO erfolgte 2003. CLS beschäftigte damals rund 220 Mitarbeiter.

Zudem wollten wir die Firma auf einen Wachstumspfad bringen und internationalisieren. Wir bauten Standorte in Europa, den USA und Asien auf. 2009 holten wir einen Finanzinvestor – die damalige Zurmont Madison – an Bord und finanzierten so drei Akquisitionen: Lexi-tech in Kanada, Scandinavian Translators in Dänemark und 4-Text in Deutschland. Zuvor akquirierten wir RGFT Richard Gray Financial Translations mit Sitz in London und Büros in Madrid und Paris. Die Wachstums- und Internationalisierungsphase war eine spannende und enorm bereichernde Herausforderung.

Beim Verkauf der Firma 2015 waren wir mit 600 Mitarbeitern und einem weltweiten Netz von 5.000 Freelancern an 20 Standorten in 10 Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens präsent. Wir gehörten zu den 10 grössten Sprachdienstleistern weltweit.

Dies klingt nach einer reibungslosen Erfolgsstory. Wir hatten aber auch schwierige Zeiten zu meistern.

Was waren die Herausforderungen von CLS in deiner Zeit als CEO?

Konstant, klug und schnell Lösungen zur Bewältigung des Kostendrucks zu entwickeln, der eben auch in der Übersetzungsbranche eine stetige Realität darstellt.

Wir industrialisierten und automatisierten das gesamte Dienstleistungsgeschäft. Zudem passten wir unsere Servicemodelle analog zu anderen Branchen – zum Beispiel Fluggesellschaften – an. Des Weiteren richteten wir unser Angebot laufend auf die Bedürfnisse unserer Kunden aus: Unter anderem entwickelten wir Gesamtlösungen – vom Schreiben bis hin zur mehrsprachigen Publikation und Integration in Kunden-Applikationen.

In den Jahren 2008 bis 2010 mussten wir die Finanzkrise „auswettern“. Das war die wohl schwierigste Zeit in unserer Unternehmensgeschichte, auch für mich als CEO. Der substanzielle Auftragseinbruch in der Finanzbranche hinterliess bei uns ebenfalls deutliche Spuren.

Wie hast du die Herausforderungen mit deiner Crew gemeistert?

Eine Unternehmensentwicklung wie die von CLS Communication ist nur mit einer flexiblen Crew zu bewerkstelligen. Und diese hatten wir. Auf unsere Mitarbeiter bin ich auch heute noch stolz. Ohne ein schlagkräftiges Team wären die Herausforderungen nicht zu meistern gewesen.

Mein Motto während der gesamten CEO-Zeit war „clients first“. Dieses Motto verankerten wir in der Organisation. „Walk the talk“ galt auch hier. Ich war selber häufig mit unseren Teams auf Kundenbesuch und half mit, Neukunden zu gewinnen. Unser Asienverantwortlicher sagte mir mal, meine häufigen Besuche bei Kunden hätten seinem ganzen Team gezeigt, dass bei CLS Communication die Kunden an erster Stelle stehen. Diese Signalwirkung war mir so nicht bewusst.

Zweitens wollten wir als Organisation agile, flexible Speed Boats und keinen langsamen, trägen Tanker. Das ist einfacher gesagt als getan.

Und drittens war es mir wichtig, Mitarbeitern und Führungskräften möglichst viel Gestaltungsfreiraum zu bieten. Dies ermöglichte es ihnen, an ihren Aufgaben zu wachsen, schaffte Vertrauen und setzte positive Energie frei. Wir konnten dadurch den internen Talentpool laufend weiterentwickeln und den Mitarbeitern und Führungskräften neue spannende Herausforderungen bieten. Über all die Jahre entstand eine starke Unternehmenskultur, die unseren Werten verpflichtet war.

Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Kunden hat sich als tragender Pfeiler für unsere Entwicklung erwiesen – in guten wie in herausfordernden Zeiten. Wir sind daran als Unternehmen gewachsen. Und dafür bin ich unseren Kunden zu Dank verpflichtet.

Was war das grösste Highlight in deiner Zeit als CEO?

Die Internationalisierung über Akquisitionen und organischen Aufbau – insbesondere unser Asienaufbau ab 2005 in Singapur, Hongkong, Schanghai und Peking. Ich fand es spannend und bereichernd, in dieser rasant wachsenden Region mit ihren unterschiedlichen Kulturen ein Business aufzubauen. Das setzte Ausdauer, harte Arbeit und Widerstandfähigkeit voraus. Der Drive, die Energie und der Leistungswille sowohl der Kunden wie auch der Mitarbeitern faszinierten mich.

Seit 2015 ist CLS eine Gesellschaft von Lionbridge. Als Vizepräsidentin des CLS-Verwaltungsrats hast du das Zusammengehen von CLS mit Lionbridge aktiv begleitet. Was sind die Gründe für den Schritt gewesen? Wo siehst du die Vorteile?

Als wir die geplante Ablösung unseres Finanzinvestors in Angriff nahmen, standen zwei Optionen im Vordergrund: Ablösung durch einen neuen Finanzinvestor, vor allem um weitere Akquisitionen zu tätigen. Oder aber eine Branchenlösung. Wir entschieden uns für die zweite Option und verkauften die Firma an die ebenfalls international tätige, amerikanische Lionbridge Technologies Group.

Grund für diese Variante war, dass die beiden Firmen in komplementären geografischen Märkten und Branchen unterwegs waren. Wir verfügten über komplementäre Stärken, die wir bündeln konnten. Das gemeinsame Unternehmen wurde dadurch zum Weltmarktführer.

Wir erlebten bei CLS den gesamten Lebenszyklus: Vom BPO und MBO über die Internationalisierung, organisches Wachstum und Akquisitionen bis hin zum Verkauf. In dieser Zeit erfolgte eine intensive Industrialisierung und Automatisierung in unserer Branche. Wir erlebten substanzielle Veränderungen mit Ups und Downs sowohl in unserem Markt wie auch in den Kundenmärkten.

Dein schönster CLS-Moment?

Es gab deren mehrere. Unser 15-Jahr-Jubiläum im Jahr 2012 gehörte definitiv zu den Highlights. Am Jubiläumsanlass stellten wir unsere Kreativität mit Eigenproduktionen unter Beweis. Zudem freute es mich besonders, beim Verkauf der Firma zu sehen, dass zahlreiche CLS-Führungsverantwortliche Schlüsselfunktionen im gemeinsamen Unternehmen besetzen konnten.

Ein weiteres Highlight ist für mich, zu beobachten, wie eine starke, über die Zeit hinweg entwickelte Unternehmenskultur unternehmerischen Erfolg bringt. Die CLS-Kultur ist stets an jedem Standort spürbar gewesen – mit Firmen- und Lokalkolorit.

Wo siehst du die Übersetzung in 20 Jahren?

20 Jahre wären ein Blick in die Kristallkugel. Heute stehen mit den neuen neuronalen Übersetzungssystemen leistungsfähige Engines zur Verfügung. Diese Technologie wird den Übersetzungsprozess beeinflussen. Voraussetzungen für den Erfolg der Technologie sind eine erstklassige mehrsprachige Datenbasis sowie die Datenpflege, damit die Engines laufend trainiert und verbessert werden.

Sprachdienstleistern bietet diese Technologie die Chance, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

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CLS-Gründerin Doris Albisser

Doris Albisser war von 1997 bis 2013 Group Chief Executive Officer (CEO) und Delegierte des Verwaltungsrats. Unter ihrer Leitung entwickelte sich CLS von einem Start-up zu einem der zehn führenden internationalen Sprachdienstleister mit Standorten in Europa, Nordamerika und Asien.

Von 2013 bis 2015 war Doris Albisser Vizepräsidentin des Verwaltungsrats von CLS. Sie begleitete CLS auf dem Weg zur Gesellschaft der Lionbridge Technologies Group, des größten Lokalisierungs- und Übersetzungsanbieters der Welt.

Heute engagiert sie sich als Unternehmerin (Eurasia Competence AG) und Investorin sowie als Verwaltungs- und Stiftungsrätin in unterschiedlichen Bereichen.

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[Text: CLS. Quelle: CLS, 2017-11-28. Bild: CLS.]