„Wir müssen reden“ lautet das Motto des Weltempfangs auf der Frankfurter Buchmesse 2018. Das könnte man als Drohung interpretieren und ist vom Auswärtigen Amt, das den Großstand finanziert, durchaus ernst gemeint – als Aufforderung zu einem intensiveren Bürgerdialog.
Tobias Voss von der Messegesellschaft ist Projektleiter für das „Zentrum für Politik, Literatur und Übersetzung“. In einem Grußwort für das Programmheft skizziert er das, was dem Establishment Sorge bereitet: Trump mit seinem „neuen Politikstil“, Separationsbestrebungen in Europa sowie die in vielen Ländern zu beobachtenden „neuen Strömungen mit populistischen, rechtsnationalen und antipolitischen Gruppierungen“. Das Beunruhigende daran sei, dass sich all dies mit demokratischen Mehrheitsverhältnissen legitimieren könnte.
Und so wird auf dem Weltempfang 2018 eifrig politisch debattiert. Die Themenpalette reicht von der Pressefreiheit in der Türkei über Selbstzensur in Deutschland bis hin zu NGOs in Krisengebieten. Und auch die Übersetzerei bleibt davon nicht verschont. „Dialog in vermintem Gelände – Übersetzer und Politik“ heißt eine Gesprächsrunde.
Weltempfang 2018: 7 von 42 Veranstaltungen richten sich an Übersetzer
In diesem Jahr beschäftigen sich 7 von 42 Veranstaltungen mit dem Literaturübersetzen, wie aus dem soeben veröffentlichten Programm des Weltempfangs hervorgeht. Das ist nicht schlecht, aber im Vorjahr wurde den Sprach- und Kulturmittlern mit 12 Veranstaltungen mehr geboten. Dies scheint jedoch eine Ausnahme und kein Indiz für eine Verschiebung der Schwerpunkte von der Politik zur Literaturübersetzung gewesen zu sein.
Die Veranstaltungen im Einzelnen:
(1) Verleihung der Übersetzerbarke
Der Verband der Literaturübersetzer zeichnet jährlich Personen des literarischen Lebens aus, die sich um das Übersetzen verdient gemacht haben. Die Übersetzerbarke 2018 geht an Katharina Raabe, Lektorin im Suhrkamp Verlag, für ihre Verdienste um osteuropäische Literatur, ihre einfühlsame Zusammenarbeit mit den Übersetzern und ihre Beiträge zur Reflexion des Übersetzens als Kunst.
(2) Gläserner Übersetzer
Literaturübersetzen verstehen durch Zusehen, Mitmachen, Nachfragen. Peter Torberg übersetzt in der interaktiven Präsentation eine klassische Dystopie neu: Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ aus dem Jahr 1953 über eine Welt, in der Bücher verboten sind und Leser verfolgt werden.
(3) Dialog in vermintem Gelände – Übersetzer und Politik
Literaturübersetzer sind Spezialisten für Völkerverständigung, aber haben sie auch eine politische Stimme? Wo beginnt, wo endet ihre Verantwortung? Drei Übersetzerinnen aus dem Arabischen, Polnischen und Russischen sprechen über den Umgang mit autoritären Regimen und ideologisierter Kulturpolitik, über Kompromisse, Grenzen der Verständigung und die Pflicht zur Wahrheit in postfaktischen Zeiten.
Mit Larissa Bender, Dorota Stroińska, Friederike Meltendorf, Moderation Dr. Volker Weichsel.
(4) Social Translating – Thomas Melles „Die Welt im Rücken“ im Diskurs in Asien
Die Goethe-Institute aus Ostasien, Südostasien und Südasien experimentieren mit einer neuen sozialen Praxis des literarischen Übersetzens. Das Merck Social Translating Project eröffnete zehn Übersetzern in zehn Sprachen einen digitalen Raum zum Austausch über die Arbeit am Text. In Frankfurt stellen einige von ihnen sowie der Autor selbst ihre Erfahrungen erstmals vor.
Mit Thomas Melle, Prof. Dr. Jisung Kim (Japan), Ariuntsetseg Ganbold (Mongolei), Prof. Dr. Sunanda Mahajan (Indien), Dr. Marla Stukenberg (Moderation).
(5) Wer entscheidet eigentlich? Übersetzer und Lektoren im Gespräch
Welche Verbindung gibt es zwischen Übersetzern und Verlegern? Haben Übersetzer Einfluss auf die Entscheidungen der Verleger? Schlagen sie ein Werk zur Übersetzung vor, hören Verleger auf sie? Wie oft werden Übersetzer lediglich beauftragt und wie oft haben sie die Gelegenheit, ein Werk oder einen Autor, den sie selbst entdeckt haben, vorzustellen? Werden Übersetzer ermuntert, als Literaturagenten zu agieren?
Diskussion in englischer Sprache mit Ilide Carmignani (Italien), Dr. Amalija Maček (Slowenien), Thorsten Ahrend (Deutschland), Didier Dutour (Moderation).
(6) Portugiesisch: Weltsprache oder lästiges Überbleibsel des Kolonialismus?
Portugiesisch wird in acht Ländern auf vier Kontinenten von mehr als 250 Millionen Menschen gesprochen. Der Unabhängigkeitskämpfer Amilcar Cabral sah darin einen Raum des Zusammenhalts. Ist diese Weltsprache mit europäischen Wurzeln heute ein Mittel der Kooperation und des soziokulturellen Austauschs oder bloß noch ein Überbleibsel des Kolonialismus? Wie sehen Schriftsteller diese sprachliche Klammer?
Podiumsdiskussion mit Kalaf Epalanga (Angola), Isabela Figueiredo (Portugal), João Paulo Cuenca (Brasilien), Michael Kegler (Moderation).
(7) Translation Slam
Shakespeare als HipHop, Dylan als Bibelvers, James Bond als Gerichtsreport – und das alles sekundenschnell! Drei Profis und ein engagiertes Publikum feilen spontan an markanten Sätzen und Versen aus Literatur, Musik, Religion oder Volksmund: eine höchst unterhaltsame Übersetzungswerkstatt. Mit Isabel Bogdan, Tanja Handels, Ingo Herzke, Andreas Jandl (Moderation).
Fachbesucherticket kostet 67 Euro, Privatbesucher zahlen 20 Euro
Die Eintrittskarten für Fachbesucher, zu denen auch Übersetzer zählen, kosten im Frühbuchertarif bis zum 30. September 67 Euro (ein Tag) bzw. 125 Euro (alle 5 Tage). Ab dem 1. Oktober erhöhen sich die Preise auf 74 bzw. 138 Euro.
Als Privatbesucher zahlt man nur 20 Euro (Studierende 14 Euro), kann die Messe aber auch nur am (überlaufenen) Samstag oder Sonntag besuchen (13. und 14. Oktober).
Übrigens ist der Weltempfang umgezogen – von Halle 3.1 nach Halle 4.1, die ebenfalls zentral an der Agora liegt. Die Standnummer lautet B81.
Die Messe läuft dieses Jahr vom 9. bis 14. Oktober (Dienstag bis Sonntag). Ehrengast ist Georgien.
Programmheft für Übersetzer
Damit Sie sich im Programmheft schneller zurechtfinden, haben wir für Sie alle übersetzungsrelevanten Veranstaltungen sowie alle auftretenden Übersetzer gelb markiert. Wer ein originales Exemplar bevorzugt, lade sich Variante 2 herunter.
- Programm Weltempfang 2018 mit Markierungen für Übersetzer
- Programm Weltempfang 2018 ohne Markierungen
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[Text: Richard Schneider. Quelle: Frankfurter Buchmesse.]