BDÜ zeigt wieder Mut zur Lücke: Sachsen-Anhalt ohne Landesverband

BDÜ-Landkarte 1989-2019
Bild: UEPO.de

„Beschluss seiner Mitgliederversammlung vom 24.11.2018 hat sich der Landesverband Sachsen-Anhalt aufgelöst. Den größten Teil seiner Mitglieder [ca. 70] hat der LV Sachsen übernommen.“ – So lautete zum Jahreswechsel die dürre Mitteilung auf der BDÜ-Website.

Damit weist die BDÜ-Landkarte für 2019 einen kuriosen Bauchschuss auf, nachdem erst vor dreieinhalb Jahren die weißen Flecken an der Waterkant wieder in BDÜ-Blau übermalt werden konnten.

Hamburg und Schleswig-Holstein 18 Jahre lang terra incognita

Weiße Flecken gab es nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im größten Übersetzerverband schon mehrfach. Einer Katastrophe kam der Ende der 1990er Jahre erfolgte Austritt von drei Landesverbänden gleich. Nach verbandsinternen Querelen verließen die Landesverbände Hamburg/Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg den Dachverband.

Im Westen (NRW) wurde umgehend ein neuer Landesverband gegründet, im Osten erweiterte der LV Berlin später sein Zuständigkeitsgebiet auf Brandenburg, aber im Norden klaffte in den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein eine Lücke, die 18 Jahre lang bestehen bleiben sollte.

Trend zum länderübergreifenden Regionalverband

Zwar betont der BDÜ immer wieder, vom Prinzip einer an die Bundesländer angelehnten Organisationsstruktur nicht abrücken zu wollen, aber der Trend vom Landesverband zum länderübergreifenden Regionalverband ist unverkennbar:

  • 1998 wurden die Landesverbände von Bremen und Niedersachsen zusammengelegt.
  • Nach dem Austritt Brandenburgs übernahm der Landesverband Berlin das verwaiste Gebiet.
  • 2015 dehnte sich der LV „Bremen und Niedersachsen“ auf Hamburg und Schleswig-Holstein aus und benannte sich in Landesverband Nord um.
  • Und demnächst wird sich dann wohl Sachsen das Gebiet von Sachsen-Anhalt einverleiben.

Die Zahl der Landesverbände hat sich auf diese Weise in den letzten 20 Jahren von 15 auf 11 verringert. Auffällig ist jedoch, dass diese Gebietszusammenlegungen nicht langfristig geplant und proaktiv betrieben werden. Man handelt immer erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen bzw. der Landesverband ins Koma gefallen ist.

In Rheinland-Pfalz und Hessen scheint man etwas vorausschauender zu handeln. Dort wird eine verstärkte Kooperation beider Landesverbände nicht nur angedacht, sondern konkret ausgelotet und demnächst wohl in die Wege geleitet. Der LV Rheinland-Pfalz gehört mit knapp 500 Mitgliedern zwar zu den mittelgroßen Verbänden, befand sich in den letzten Jahren aber in finanziell schwierigem Fahrwasser und kommt erst allmählich wieder auf Kurs.

Die Existenzfrage wird sich früher oder später vor allem für die kleinsten Landesverbände stellen. Die kritische Grenze scheint erreicht, wenn die Mitgliederzahl unter 100 fällt.

Nicht gefährdet dürfte der Landesverband Saar sein, der zwar flächenmäßig klein ist, aber stabile 250 Mitglieder rund um Saarbrücken aufweist. Thüringen mit nur 116 und Mecklenburg-Vorpommern mit lediglich 70 Mitgliedern sind jedoch im besten Fall auf ewig die Kellerkinder des BDÜ. Im schlimmsten Fall wird es ihnen so ergehen wie Sachsen-Anhalt.

Diesen bettelarmen Landesverbänden stehen reiche wie Bayern und Baden-Württemberg mit ihren 1.500 bzw. 1.200 Mitgliedern gegenüber, die zudem noch deutlich höhere Mitgliedsbeiträge kassieren als die armen Verwandten (Thüringen 140 Euro Jahresbeitrag, Bayern 216 Euro). Eine Art Länderfinanzausgleich gibt es im BDÜ nicht.

Zentralverband? Nein danke.

Einer grundlegenden Strukturreform, die dem Sterben der schwachen Mitglieder ein Ende bereiten und die Diskrepanz zwischen mächtigen und ohnmächtigen Landesverbänden beseitigen würde, hat der BDÜ wiederholt eine Absage erteilt. Diese könnte in der Umwandlung in einen Zentralverband nach Vorbild der tekom bestehen, was zudem den Vorteil bundesweit einheitlicher Mitgliedsbeiträge hätte.

Die effizientere Struktur mit nur einem einzigen Vorstandsgremium (statt wie zurzeit 13) würde aber mit einer Abschaffung der Landesverbände einhergehen. – Ein Gedanke, der für viele Traditionalisten vor allem in den westdeutschen Bundesländern weit außerhalb alles Vorstellbaren liegt.

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Richard Schneider