IALT Leipzig: Sprachschwerpunkt Russisch durch Sparmaßnahmen der Universität gefährdet

IALT im GWZ
Die Räumlichkeiten des IALT befinden sich im Geisteswissenschaftlichen Zentrum (GWZ) in der Beethovenstraße. - Bild: Pressebild Universität Leipzig

Siegel Uni LeipzigDie Leitung der Universität Leipzig überlegt, den Sprachschwerpunkt Russisch am Institut für angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) zu schließen. Als Beweggrund werden finanzielle Überlegungen vermutet.

Das Rektorat der Universität hat zu diesen Planspielen kein offizielles Papier veröffentlicht, aber die Leitung des IALT ist seit einigen Monaten darüber informiert.

Im September 2018 hatte Prof. Dr. Carsten Sinner in einem Gespräch mit den Dresdner Neuesten Nachrichten bereits erwähnt, dass man derzeit am Institut um den Erhalt der Dolmetscher- und Übersetzerausbildung in der russischen Sprache kämpfe. Nach einem aktuellen Bericht von SputnikNews setzt sich auch der geschäftsführende Direktor des IALT, Prof. Dr. Oliver Czulo, dafür ein, „die traditionsreiche Russischausbildung am IALT zu erhalten“.

Studierende organisieren Proteste und Öffentlichkeitsarbeit

IALT-Studentin Olga Frolova hat in Leipzig den Studiengang B.A. Translation abgeschlossen und ist zurzeit im M.A.-Studiengang Konferenzdolmetschen eingeschrieben. In einem Gespräch mit SputnikNews hat sie die Problematik geschildert und das Thema dadurch überregional bekannt gemacht. (Sputnik ist – ähnlich wie das bekanntere Russia Today – eine russische Auslands-Nachrichtenagentur.)

Das fast sechsminütige Gespräch kann auf der Website des Senders, auf YouTube und auch hier auf Soundcloud abgerufen werden:

Eine schriftliche Zusammenfassung findet sich auf der Website von Sputnik Deutschland:

Online-Petition gestartet

Darüber hinaus hat die Studentin Mitte Februar 2019 auf der Plattform Change.org eine Online-Petition gestartet, die an das Rektorat der Universität Leipzig gerichtet ist:

Hallo an alle,

wir sind Studenten der Universität Leipzig im Fachbereich Translation Russisch und somit zukünftige Übersetzer und Dolmetscher. Vor Kurzem haben wir erfahren, dass unser Sprachschwerpunkt abgeschafft werden soll. Das heißt, es sollen keine Dolmetscher und Übersetzer für die russische Sprache mehr ausgebildet werden. Was heißt das?

  • Keine Ausbildungsstätte mehr für Russischdolmetscher und-übersetzer in den neuen Bundesländern
  • Keinen Nachwuchs an ausgebildeten Dolmetscher und Übersetzern für Wirtschaft, Politik und Verteidigung

Die Schließung bedeutet einen Rückschritt in der Völkerverständigung in Zeiten wirtschaftlichen Aufbruchs und außenpolitischen Situation, in der wir uns nicht mehr nur nach Westen orientieren können, in der Wirtschaft und Regierung verstärkt versuchen, global Partner zu gewinnen, ist es wichtig, professionell ausgebildete Übersetzer und Dolmetscher zu haben, die die Kommunikation nicht nur mit Russland, sondern auch mit sämtlichen Staaten der ehemaligen UdSSR ermöglichen und mit den kulturellen und politischen Besonderheiten selbiger vertraut sind.

Deshalb möchten wir Euch um Unterstützung bitten. Bitte unterschreibt diese Position!

Link zur Petition:

Bis zum 24.02.2019 um 20:30 Uhr hatten auf Change.org bereits 1.536 Personen elektronisch unterschrieben.

Uni Leipzig, geisteswissenschaftliches Zentrum
Die Pläne der Universitätsleitung werden unter Studierenden eifrig diskutiert. Bei einer Umsetzung könnten im gesamten Osten Deutschlands keine Russisch-Übersetzer und -Dolmetscher mehr ausgebildet werden. – Bild: Universität Leipzig

Regionalsprachen Galicisch, Katalanisch und Baskisch erst vor Kurzem eingeführt – Weltsprache Russisch soll gestrichen werden

Das IALT bietet einen Bachelor-Studiengang sowie zwei darauf aufbauende Master-Studiengänge an (B. A. Translation, M. A. Translatologie, M. A. Konferenzdolmetschen). Darüber hinaus existiert am Institut ein Promotionsprogramm „Translatologie und Angewandte Linguistik”.

Als so genannte Sprachschwerpunkte werden am IALT die Fremdsprachen Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch angeboten. Seit dem Wintersemester 2010 können im translatorischen Wahlbereich Galicisch und Katalanisch studiert werden. Mit der Eröffnung des Baskischlektorats im Sommersemester 2013 wurde das Sprachenangebot weiter ausgebaut und ist in dieser Form nach Angaben der Universität deutschlandweit einmalig.

Die Übersetzerstudiengänge in Leipzig hatten schon zu DDR-Zeiten einen guten Ruf, das Institut war nicht nur im Westen Deutschlands bekannt, sondern setzte international wichtige Impulse in der noch jungen Translationswissenschaft. Mit Heidelberg, Mainz/Germersheim und Saarbrücken gehört Leipzig zu den vier klassischen Übersetzer-Universitäten in Deutschland, die auf eine mehr als 70-jährige Tradition zurückblicken können.

In Saarbrücken fing es vor 13 Jahren ähnlich an

Ein vergleichbarer Vorgang ereignete sich vor mehr als zehn Jahren an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, wo 2006 in der Fachrichtung „Angewandte Sprachwissenschaften sowie Übersetzen und Dolmetschen“ das Lehrangebot für Russisch eingestellt wurde.

In den Folgejahren kamen weitere drastische Sparmaßnahmen hinzu, weil 35 Prozent der früheren finanziellen Mittel gestrichen wurden. So beschloss die Universität 2014, den MA-Studiengang Konferenzdolmetschen auslaufen zu lassen. Das verbleibende Lehrangebot wurde grundlegend umgestaltet und mit der Computerlinguistik zusammengelegt, sodass man die heutigen Saarbrücker Studiengänge kaum noch als ein Lehrangebot für künftige Übersetzer und Dolmetscher bezeichnen kann.

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[Text: Richard Schneider.]