Gratis-Comic-Tag 2019: Zwei Drittel der angebotenen Titel sind Übersetzungen

Bild: Aktion Gratis-Comic-Tag

Am Samstag, dem 13. Mai 2019, war wieder Gratis-Comic-Tag (GCT) in den deutschsprachigen Ländern – und zwar bereits zum 10. Mal. Mehr als zwei Drittel der 34 in diesem Jahr angebotenen Werke der grafischen Literatur sind Übersetzungen.

Übersetzungsanteil bei Comics über 50 Prozent – Wichtigste Sprachen Japanisch, Französisch, Englisch

Comics sind das Literaturgenre mit dem höchsten Übersetzungsanteil. Während in der Belletristik insgesamt nur 26,5 Prozent der Titel Übersetzungen sind, liegt ihr Anteil bei Comics doppelt so hoch, nämlich bei 52,4 Prozent (Zahlen von 2015).

Die wichtigsten Ausgangssprachen sind Japanisch, Französisch und Englisch. Dies spiegelt sich auch in der Titelauswahl des Gratis-Comic-Tages 2019 wider. 24 der 34 ausgewählten Werke des GCT 2019 sind Übersetzungen.

Übersetzer werden meist genannt, bleiben aber im Hintergrund

Die Nennung der Übersetzer als Mit-Urheber in der Titelei ist Standard – auch in den Sonderdrucken des Gratis-Comic-Tages. Auf den Websites der Verlage liegt allerdings noch vieles im Argen. So werden auf den Internet-Präsenzen von Cross Cult sowie Schreiber & Leser grundsätzlich keine Übersetzer genannt. Auch über die Suchfunktion sind sie nicht ermittelbar.

An ihrem Schattendasein sind viele aber auch selbst schuld. Mit Gandalf Bartholomäus besitzt nur ein einziger der 19 von UEPO.de ermittelten GCT-Übersetzer eine angemessene eigene Website. Um ihren Beitrag zur „neunten Kunst“ ausdrücklich zu würdigen, seien nachfolgend alle am Gratis-Comic-Tag 2019 beteiligten Übersetzerinnen und Übersetzer einmal genannt:

Bild: Aktion Gratis-Comic-Tag

Japanisch

Französisch

Englisch

Chinesisch

  • Marcel Hermann

Italienisch

  • Jano Rohleder

Gratis-Comic-Tag – Was ist das überhaupt?

Einmal im Jahr werden in einer konzertierten Werbeaktion Comic-Hefte kostenlos an Interessenten aller Altersstufen abgegeben. Dieses Jahr hatten 19 Verlage 34 Titel in einer Gesamtauflage von 600.000 Exemplaren speziell für dieses Ereignis drucken lassen. Diese wurden von rund 450 Buchhandlungen und Stadtbüchereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz an den Mann, die Frau und das Kind gebracht. Im Durchschnitt verschenkt jede teilnehmende Stelle an diesem Tag 1.300 Comics an jeweils 440 glückliche Interessenten.

Dies geschieht natürlich nicht ganz uneigennützig. Durch die Verteilaktion sollen junge Leser an das Medium herangeführt werden. Auch alte Comic-Hasen haben die Möglichkeit, bislang verschmähte Stilrichtungen für sich zu entdecken. So können beispielsweise Liebhaber der klassischen franko-belgischen Schule auch Blicke in andere Sparten wie die amerikanische Superhelden-Welt und das japanische Manga-Universum werfen, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen.

Die meisten Hefte enthalten vollständige Alben wie etwa die Lucky-Luke-Hommage „Jolly Jumper antwortet nicht“. Andere bestehen aus einer oder mehreren Leseproben. Teils handelt es sich um etwas ältere Inhalte, teils brandaktuelle Titel, teils um Appetithäppchen für gerade jetzt oder später im Jahr erscheinende Folgebände. Die Seitenzahl schwankt zwischen 48, 58 und 68 Seiten.

An der Aktion beteiligen sich sowohl Branchengiganten wie Carlsen als auch Ein-Mann-Verlage wie Dantes. Die Federführung obliegt seit Jahren Philipp Schreiber von Schreiber & Leser in Hamburg.

Kann man sich einfach beliebige Bände aus dem Regal nehmen?

„Gratis-Comic-Tag“ bedeutet nicht, dass man in einen beliebigen Comicladen marschieren und sich wahllos ein paar Bände aus dem Regal nehmen darf. Es handelt sich vielmehr um eine von langer Hand in monatelanger Arbeit vorbereitete Aktion:

  • Die 34 ausgewählten Titel werden eigens für diesen Tag in einer Sonderauflage gedruckt und tragen auf dem Cover den Aufdruck „Gratis Comic Tag 2019“.
  • Im Impressum findet sich der Vermerk „Gratisexemplar – nicht zum Verkauf bestimmt“.
  • Die GCT-Hefte haben nicht die normale Größe von Comic-Alben (DIN A4), sondern sind etwas kleiner (16,7 x 24 cm) und besitzen keinen festen Einband. Aber das Papier ist weiß, glatt und hochwertig und somit für den Farbdruck bestens geeignet.

Anders als im Kultur- und Literaturbetrieb sonst häufig anzutreffen, gibt es für die Aktion keinerlei staatliche Subventionen. Die Händler finanzieren die Hefte selbst, erhoffen sich aber Zusatzkäufe und Folgegeschäfte.

Wie läuft der GCT konkret ab?

In der Regel sind im Laden Tische aufgebaut, auf denen Stapel mit den 34 ausgewählten Titeln liegen. Jeder Händler entscheidet selbst, wie er die Werke unters Volk bringt. Manche gestehen jedem Interessenten drei Hefte zu, andere lassen würfeln und wieder andere bauen ein Glücksrad auf oder losen auf andere Weise.

Der UEPO-Herausgeber über seine Erlebnisse am GCT 2019:

Ich selbst habe im ersten Laden eine Fünf gewürfelt und durfte mir eine entsprechende Anzahl Hefte aussuchen. Die Stadtbibliothek, in der die Gesamtauswahl am frühen Nachmittag bereits auf sieben Titel zusammengeschrumpft war, gewährte jedem Interessenten grundsätzlich drei Hefte. In der danach aufgesuchten Buchhandlung war bereits alles vergriffen.

Die Ausbeute des UEPO-Herausgebers im Jahr 2019. – Bildmontage: UEPO.de

Tipps für Extremschnorrer

Früh aufstehen! Denn was weg ist, ist weg. Am schnellsten schwinden die Chancen in den Großbuchhandlungen der Metropolen (Thalia, Mayersche, Hugendubel & Co.). Dort sind ab Mittag die beliebtesten Hefte schon vergriffen und am frühen Nachmittag ist oft überhaupt nichts mehr vorrätig. (In der Mayerschen Buchhandlung in der Dortmunder Fußgängerzone wurde um 14:00 Uhr der Stand abgebaut, weil es nichts mehr zu verteilen gab.)

Deutlich bessere Chancen hat man in den Buchhandlungen von Mittel- und Kleinstädten sowie in richtigen Comicläden, die meist etwas abseits der Haupteinkaufsstraßen liegen. Letztere feiern den Tag regelrecht und bieten oft ein Begleitprogramm wie Signierstunden von Zeichnern, Porträtzeichnungen, Comic-Flohmärkte, Auftritt von Cosplayern und Ähnliches an.

Dass die GCT-Hefte vor allem bei Schülern mit kleinem Geldbeutel beliebt sind, ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Lucky-Luke-Hommage normalerweise 6,90 Euro und eine Graphic Novel wie „Ghost Money – Die Dame aus Dubai“ 16,95 Euro kostet. Wer zehn Hefte einsackt, hat also locker einen Hunderter an Taschengeld gespart.

Dass Leute auf Schnitzeljagd nach möglichst vielen Titeln gehen, scheint von den Initiatoren durchaus erwünscht zu sein. Auf diese Weise lernt die treue Kundschaft von morgen jeden noch so kleinen Comicladen in der Heimatregion kennen.

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Richard Schneider