Für den 17.09.2019 plant der österreichische Gerichtsdolmetscherverband ÖVGD einen Aktionstag mit Streikaufruf zur Durchsetzung seiner Forderung nach Anhebung der im europäischen Vergleich sehr niedrigen Stundensätze. „An diesem Tag werden die Dolmetsch- und Übersetzungsaktivitäten für Gerichte und Behörden ausgesetzt“, so der Verband.
Laut Gebührenanspruchsgesetz werden zurzeit 24,50 Euro für die erste halbe Stunde und 12,40 Euro für jede weitere halbe Stunde gezahlt. Dies führt zu Stundensätzen, die sich auf 24,80 oder 36,90 Euro belaufen. Wobei der letztgenannte Betrag ausschließlich für die erste Stunde gezahlt wird.
Seit 2007 sind die Gebührensätze des Gebührenanspruchsgesetzes, nach dem auch Dolmetscher vergütet weden, nicht mehr erhöht worden. Im Jahr 2014 wurden sie sogar noch herabgesetzt.
Die Zeilensätze für schriftliche Übersetzungen bewegen sich hingegen in einem einigermaßen marktüblichen Rahmen. Sie liegen je nach konkret erforderlichem Ausbildungsgrad zwischen 1,40 und 1,80 Euro je Zeile à 55 Zeichen einschließlich Leerzeichen.
Aktionstag für standesgemäße Entlohnung
Auf seiner Website gerichtsdolmetscher.at erklärt der Verband:
Am 17. September 2019 veranstaltet der Österreichische Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher – ÖVGD mit Unterstützung der Richterschaft und der Staatsanwaltschaften einen Aktionstag zur Durchsetzung seiner langjährigen und gerechtfertigten Forderung nach einer standesgemäßen Entlohnung.
An diesem Tag werden Dolmetsch- und Übersetzungsaktivitäten für Gerichte und Behörden ausgesetzt. RichterInnen werden ersucht, für diesen Tag keine Verhandlungen, für die DolmetscherInnen benötigt werden, anzuberaumen.
Mitglieder des ÖVGD werden am 17. September 2019 in einer Informationsveranstaltung, durch Verteilung von Informationsmaterial vor und Aushänge in den Gerichten sowie in den Medien auf die unwürdige Entlohnung von GerichtsdolmetscherInnen und die dadurch entstehenden Folgen, Nachteile und Gefahren für die Justiz aufmerksam machen.
Zur Behebung der Missstände stellt der ÖVGD vor allem zwei Forderungen:
- Anhebung der Gebühren auf annähernd marktübliche Sätze.
- Vereinfachung des Gesetzes mittels Schaffung von einheitlichen Grundgebühren und Wegfall von Sondergebühren und damit Einsparungen im Verwaltungsaufwand der Gerichte durch weitgehende Vermeidung von Rechtsmitteln zur Abklärung der (derzeit) komplizierten und unübersichtlichen Gebührenregelungen.
Innerhalb von 10 Jahren hat sich Zahl der Gerichtsdolmetscher halbiert
Weil sich in der Wirtschaft deutlich mehr Geld verdienen lässt, arbeiten in Österreich viele qualifizierte Dolmetscher nicht mehr für die Justiz. Die Zahl der auf der offiziellen Gerichtsliste stehenden Sprachmittler hat sich in den letzten zehn Jahren von 1.400 auf etwas über 700 halbiert. Die Folge sind Überalterung, Nachwuchsprobleme und ein allgemeiner Mangel an qualifizierten Gerichtsdolmetschern.
In einem Schreiben an das Justizministerium hatte der ÖVGD im Juni 2019 erklärt: „Für Richter wird es immer schwieriger (und manchmal unmöglich), geeignete Dolmetscher für ihre Verhandlungen zu finden. Zur Aufrechterhaltung von rechtsstaatlichen Verfahren ist es aber unerlässlich, dass qualifizierte Dolmetscher zum Einsatz kommen. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf.“
Problem erkannt, aber noch nicht gebannt
Inzwischen haben auch die Richter und Staatsanwaltschaften erkannt, dass dringend gehandelt und eine Trendwende herbeigeführt werden muss. Bei einer Aussprache im Parlament zeigte sich Justizminister Dr. Josef Moser am 24. April 2019 verständnisvoll. Er wolle helfen, den Missstand zu beheben und habe schon mit dem Finanzminister darüber gesprochen. Eine Lösung sei aber erst im nächsten Haushaltsjahr möglich.
Wegen Regierungskrise liegt alles auf Eis
Inzwischen ist die gesamte österreichische Regierung wegen eines Skandals zurückgetreten. Bis zur Neuwahl im September wird das Kanzleramt von der bisherigen Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes geleitet, die Ministerien sind in der Hand von Beamten. Diese dürfen lediglich verwalten, aber nicht gestalten. Damit liegen auch alle Bemühungen zur Verbesserung der finanziellen Situation der österreichischen Gerichtsdolmetscher erst einmal auf Eis.
Mehr zum Thema auf UEPO.de
- 2019-04-27: Gerichtsdolmetscher: Irmgard Griss kämpft im Nationalrat für höhere Gebührensätze
- 2018-04-15: ÖVGD: Andrea Bernardini neue Präsidentin der österreichischen Gerichtsdolmetscher
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[Text: Richard Schneider.]