Wer hamstert, ist ein Schuft – GfdS beleuchtet Wortfeld „hamstern“ sprachlich und historisch

Hamster
Die zurzeit wieder zu beobachtenden Hamsterkäufe sind ein Kennzeichen existenzieller Krisen wie zuletzt 1986 nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl. - Bild: Free-Photos / Pixabay

Den meisten als possierliches Haustier bekannt, war der Hamster – ein Getreideräuber – einst als Plage verschrien. Auch derzeit hat der Nager keinen guten Stand, denn das sogenannte Hamstern führt in der Corona-Krise zu leeren Nudelregalen, die inzwischen zum vertrauten Anblick in vielen Supermärkten gehören.

GfdS-LogoIn einer weiteren Folge der sprachlichen Betrachtungen zum Corona-Virus widmet sich die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) daher den Hamsterkäufen und anderen tierischen Wortbildungen.

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Vom Hamster zum Verb (und zurück)

Das Verb hamstern bezeichnet das Horten von Lebensmitteln und anderer Güter – Toilettenpapier scheint derzeit ganz oben auf der Hamster-Liste zu stehen – weit über den tatsächlichen, aktuellen Bedarf hinaus. Abgeleitet ist es vom Substantiv Hamster, was naheliegend scheint: Hamster bewahren Nahrung in ihren charakteristischen Backentaschen auf und sie legen in ihren Bauten Vorräte an. Hamster hamstern also.

Den sprachlichen Prozess, der vom Substantiv Hamster zum Verb hamstern führt, wird von einigen Sprachwissenschaftlern als ›Konversion‹ beschrieben. Das Besondere daran: Die Konversion kommt ohne weitere Elemente der Wortbildung aus. Es treten also keine verbalen Suffixe wie zum Beispiel –ier(en) auf, das aus Substantiven (z. B. Kostüm) oder Adjektiven (z. B. stolz) Verben ableitet: kostümieren und stolzieren.

Dass zum Verb hamstern auch ein Substantiv – (das) Hamstern – existiert, ist ebenfalls auf einen Konversionsprozess zurückzuführen, so wie beim Substantiv (das) Laufen, welches auf das Verb laufen zurückgeht. Das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) kennt das Verb hamstern übrigens in verschiedenen Verwendungsweisen: einmal in der derzeit prominenten Lesart im Sinne von ›horten‹, einmal in einer etwas neutraleren Lesart im Sinne von ›einsammeln‹ (auch einhamstern).

Verben, die von einer Tierbezeichnung abgeleitet sind und so viel bedeuten wie ›sich wie dieses Tier verhalten, finden sich im Deutschen einige. Ein bekanntes Beispiel dürfte das Wort schlängeln sein (›sich wie eine Schlange fortbewegen); das Verb wird mit dem Suffix –el(n) vom Substantiv Schlange abgeleitetAusgerechnet das Verb vögeln (laut Duden »derb für ›Geschlechtsverkehr ausüben«) ist hier aber kein passendes Beispiel. Es wurde zwar ursprünglich im Bezug auf Vögel verwendet, hat aber einen unabhängigen, unklaren Ursprung. Solche und andere Tiernamen-bezogene Verben wie dackelnstorchen oder tigern hat übrigens Wilhelm Schellenberg in der GfdS-Zeitschrift Sprachdienst (Ausgabe 2/2018) ausführlich analysiert.

Das Wortfeld hamstern und seine Geschichte

In das Wortfeld hamstern gehören neben dem Hamsterkauf weitere Substantivbildungen. In den umfangreichen Textsammlungen, die das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) zur Verfügung stellt, finden sich Ausdrücke wie Hamsterware, Hamsterfahrt, Hamstermarsch und Hamsterreise sowie Hamsterzug und Hamsterfrauen. Diese Wörter stammen vor allem aus Berichten über die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs und die unmittelbare Nachkriegszeit. Damals waren es insbesondere Frauen und Kinder, die mit der Eisenbahn aus den zerstörten Städten in ländliche Regionen kamen, um dort andere Waren gegen dringend benötigte Lebensmittel einzutauschen.

Das Aufkommen von Hamsterkäufen lässt sich aber schon zum Ende des Ersten Weltkriegs beobachten. Zu dieser Zeit werden auch das Verb hamstern und die damit verbundenen Wortbildungen populär. In den Textsammlungen des DWDS zeigt sich, wie die Verwendung des Wortes hamstern zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasant ansteigt, zum Ende der 1940er Jahre ihren Höhepunkt erreicht und seitdem wieder abgenommen hat.

Nur in den späten 80er Jahren kam es zu einem erneuten, wenn auch kleineren Anstieg: Im Jahr 1986 ereignete sich das Reaktorunglück von Tschernobyl und die Menschen in Europa begannen beispielsweise H-Milch und Konserven zu horten, da diese – vor dem Unfall abgefüllt – nicht radioaktiv belastet waren.

Hamsterin
„Hamsterin, schäme dich!“ – Emaille-Schild aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (1942), entworfen vom Werbegrafiker Max Eschle. Wer hamstert, gilt zumindest in Notzeiten als Schuft. – Bild: DHM

Wer in Notzeiten hamstert, gilt als Schuft

In einer kleinen Wortgeschichte des Hamsterns beschreibt Mathias Heine, Autor für die Zeitung Die Welt, wie das Wort schon früh in politischen, antisemitischen Diskursen Verwendung fand. Das Hamstern von Lebensmitteln bedrohte besonders in Krisenzeiten die geregelte Versorgung der Bevölkerung, Menschen, die Hamsterkäufe tätigten, wurden geächtet.

Dass das Hamstern negativ konnotiert ist, zeigt sich auch an Wortbildungen wie HamstereiHamsteritis, Hamstermanie oder Hamsterunwesen. Das Suffix –itis leitet üblicherweise Krankheitsbezeichnungen ab (z. B. Bronchitis oder Meningitis) und das Suffix –erei (auch –elei) bringt oft eine abwertende Haltung zum Ausdruck, wie etwa bei den Substantiven Singerei und Wedelei.

Während das Hamstern in den meisten Fällen tatsächlich ein Phänomen ist, das Krisenzeiten begleitet, horten sogenannte Prepper gezielt Lebensmittel und andere Güter, um auf eine vermeintlich noch bevorstehende Krise vorbereitet zu sein; das Wort Prepper leitet sich vom englischen Verb to prepare (dt. ›vorbereiten) ab.

Wie hamstert es sich auf Finnisch?

Der Hamster ist stets gut vorbereitet und vermutlich genauso weit verbreitet wie die Angst der Menschen vor Warenknappheit. Dementsprechend lassen sich auch in anderen Sprachen Bezeichnungen für das Horten von Lebensmitteln und anderen Dingen nachweisen, die einen Bezug zum Hamster haben. Wir haben uns bei den Mitgliedern der Gesellschaft für deutsche Sprache in aller Welt umgehört:

Im Tschechischen findet sich das Verb škrečkovať mit der Bedeutung ›etwas heimlich für schlechte Zeiten aufbewahren, das vom Substantiv škrečok (dt. ›Hamster‹) abgeleitet ist. Ein Verb wie hamstern ist auch im Polnischen bekannt – chomikowac zum Substantiv chomik (dt. ›Hamster) – aber es werden keine Substantive wie Hamsterkauf oder Ähnliches gebildet. Im Russischen scheint ein Ausdruck wie hamstern nicht generell verbreitet zu sein, aber Sprecherinnen und Sprecher mit Sprachkontakt zum Deutschen verwenden die Form хомячить, die vom Russischen хомяк (dt. ›Hamster‹) abgeleitet ist. Im Schwedischen gibt es mit hamstra ein Verb mit direktem Hamsterbezug, das nun – im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie – auch ins Finnische (hamstrata) entlehnt wurde.

Für das Italienische, das Französische, das Ukrainische und das Litauische konnten uns Muttersprachlerinnen und Muttersprachler keine vom Hamster abgeleiteten Verben nennen. Wohl aber finden sich Vergleichskonstruktionen, die auf den Hamster verweisen, etwa »Jetzt kaufen die Leute alles wie die Hamster!«. Im Thai hingegen scheint es eine Hamster-Metaphorik nicht zu geben, aber es werden sprachliche Vergleich zu Affen gezogen, die – ähnlich wie Hamster – Essen in ihren Backentaschen zurückhalten. In das Japanische wurde das Wort Hamster (entweder aus dem Deutschen oder dem Englischen) zwar als hamusutaa entlehnt, es finden sich aber keine davon abgeleiteten Verben und auch sonst keine Redewendungen, die den Hamster mit Vorratskäufen in Verbindung bringen.

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