Dr. Isabel Rink: Barrierefreie Kommunikation ist Teil des Corona-Krisenmanagements

Dr. Isabel Rink
Dr. Isabel Rink leitet die Forschungsstelle Leichte Sprache am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim. - Bild: Uni Hildesheim

Ein Forschungsteam aus den Übersetzungswissenschaften der Universität Hildesheim überträgt derzeit aktuelle Informationen über das Coronavirus SARS-CoV-2 in Einfache Sprache. Die Texte sind auf der Website der Apotheken-Umschau für jedermann abrufbar.

Isa Lange von der Pressestelle der Universität Hildesheim hat darüber mit der Übersetzungswissenschaftlerin Dr. Isabel Rink gesprochen. Rink ist Geschäftsführerin der Forschungsstelle Leichte Sprache.

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Corona-Basisinformationen und praktische Anleitungen für Skype & Co.

Frau Dr. Rink, die Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim übersetzt Informationen über das Coronavirus SARS-CoV-2 in Einfache Sprache und Leichte Sprache. Was haben Sie in den letzten Tagen erarbeitet?

Mein Team und ich haben in den letzten Tagen verschiedene Basisinformationen über das Corona-Virus und den Diskurs dahinter in Einfache und Leichte Sprache übersetzt. Es ging dabei zum Beispiel um die Fragen: Was ist das neue Coronavirus? Woher kommt das neue Coronavirus? Wie kann ich die Symptome der Krankheit erkennen? Was kann ich tun, um mich und andere Personen zu schützen? Welche Personen sind besonders gefährdet?

Zudem erarbeiten wir gerade in Kooperation mit verschiedenen Praktikern (Gebärdensprachdolmetschern, Leichte-Sprache-Dolmetschern, Schriftdolmetschern, Verstehensassistenzen) Anleitungen zur Bedienung von Skype, FaceTime, Zoom etc. in Leichter Sprache, damit mögliche Bedarfsträger mit Kommunikations- oder Verstehenseinschränkung im Ernstfall diese Dienste für die Live-Verdolmetschung im Krankenhaus oder beim Arzt nutzen können.

Übersetzungstätigkeit erfordert tagesaktuelle Reaktionen

Was ist dabei eine Herausforderung?

Eine Herausforderung ist die aktuelle Reaktionszeit. Die Informationen zur Verbreitung des Virus oder zu den Gegenmaßnahmen durch die Bundesregierung und die Länder ändern sich schnell, dann müssen wir unmittelbar reagieren: Die neue Information muss entsprechend übersetzt und zudem durch das medizinische Fachpersonal auf Seiten des Auftraggebers geprüft werden, erst dann kann es auf der Homepage aktualisiert werden.

Hier unterscheiden sich Standardversion, Leichte-Sprache-Fassung oder Einfache-Sprache-Fassung darin, dass es bei der Übersetzung eine weitere Korrekturschleife gibt.

Manche Informationen ändern sich sehr schnell, wie geht man damit als Übersetzungsteam um?

Wir stehen in ständigem Kontakt mit dem Auftraggeber und telefonieren mehrmals täglich. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem umsichtiges Handeln: Was ist für den Moment wichtiger, die neueste Änderung der Bundesregierung oder die Zugänglichmachung der Information über richtige Handhygiene?

Diese konkrete Anwendung der Theorie in der Praxis ist eine sehr wertvolle Erfahrung, die wir dann wiederum in die Lehre einspielen können.

Sie übersetzen in dem Kooperationsprojekt mit der Apotheken-Umschau Informationen zum neuen Corona-Virus in Einfache Sprache. Welche gesundheitspolitische Bedeutung hat die Arbeit der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim in der derzeitigen Corona-Krise, wozu möchten Sie beitragen?

Es hagelte viel Kritik, insbesondere von Vertretern der Gruppen mit Kommunikationseinschränkung, die zum Teil den vulnerablen Gruppen zugehören: Sie hatten sehr lange Zeit kaum Zugriff auf die Informationen über das Corona-Virus und die Debatte dahinter, sodass sie sich nicht eigenständig informieren und die Maßnahmen entsprechend umsetzen konnten.

Barrierefreie Gesundheitskommunikation ist aktuell Teil des Krisenmanagements und alle Personen in diesem Land müssen mitgenommen werden.

So hoffen wir, dass durch die Bereitstellung von barrierefreien Informationen über das Corona-Virus und damit verbundene Maßnahmen wie die richtige Handhygiene auch die Gesundheitskompetenz in einer diversen Gesellschaft gestärkt und gefördert wird. Nur so haben alle die Möglichkeit, einen Beitrag zur Abflachung der Kurve zu leisten.

Texte werden dreifach geprüft

Stimmen Sie sich mit Gesundheitsbehörden und Fachkreisen ab, wie sichern Sie als Übersetzungsteam die Qualität und Richtigkeit der Informationen?

Die Texte werden dreifach geprüft: Die Informationen werden von der Forschungsstelle Leichte Sprache übersetzt (mindestens 4-Augen-Prinzip) und von einem zweiköpfigen Team des Auftraggebers fachlich geprüft. Auf diesen Texten liegt also eine deutlich größere Ressource, als das üblicherweise der Fall ist.

Sie bilden an der Universität Hildesheim Profis für barrierefreie Kommunikation aus. Wer ist an dem Übersetzungsprojekt beteiligt und wie geht es weiter, wird das Projekt noch fortgeführt in der aktuellen Corona-Krise?

Das Übersetzungsprojekt leite ich, mein Team besteht unter anderem aus Studierenden des Masterstudiengangs „Barrierefreie Kommunikation“. Ein Teil der Studentinnen und Studenten übersetzt die Texte im Rahmen von studentischen Hilfskraftverträgen.

So hat zum Beispiel Lena-Sophie König, die jetzt erst in das Masterstudium startet, verschiedene Hashtags in Leichte Sprache übersetzt, denn auch der Zugriff auf Diskurswissen bedeutet gesellschaftliche Teilhabe.

Das Engagement unserer Studierenden geht aber darüber hinaus, so dass auch Studierende, die nicht beschäftigt sind, Initiative ergreifen und ihren Beitrag dazu leisten, Information zugänglich zu machen, sich vernetzten und kleinere Projekte in Zeiten dieser Krise auf die Beine stellen.

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Isa Lange / Universität Hildesheim