Gerichtsdolmetschergesetz: Flickschusterei geht weiter – ADÜ Nord appelliert an Parlamentarier

Paragraphenzeichen
Bild: merklicht.de / Fotolia

Im Herbst 2019 hat der Bundesgesetzgeber das Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) verabschiedet. Es sollte am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Jetzt berät der Bundestag allerdings über weitere Änderungen im Gesetzestext (vgl. BT-Drs. 19/27654). Deshalb hat das Plenum des Deutschen Bundestags am 25. März 2021 die Überweisung des betreffenden Beratungsvorgangs an den Rechtsausschuss des Parlaments beschlossen.

GDolmG verfassungsgemäß? Nicht nur ADÜ Nord hegt Zweifel

ADÜ NordDer ADÜ Nord hat die zuständigen Mitglieder des Bundestags in einem neuen Anschreiben mit Datum vom 31. März 2021 jetzt darauf hingewiesen, dass es – auch nach Meinung des Bundesrats (vgl. Beschluss BR 532/19) – erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des GDolmG gibt. Daran änderten auch die nun bereits vor Inkrafttreten geplanten Änderungen nichts.

Verband befürchtet unheilvollen berufsrechtlichen Schwebezustand

Das 2019 übereilt verabschiedete und inhaltlich schlecht vorbereitete GDolmG soll nun sogar erst 2023 in Kraft treten. Damit komme es laut ADÜ NOrd voraussichtlich zur Fortsetzung eines bereits heute bemerkbaren, unheilvollen berufsrechtlichen Schwebezustandes. Von einem geordneten Übergang in ein neues, funktionierendes Berufsrecht für die im rechtlichen Bereich tätigen Dolmetscher und Übersetzer könne keine Rede sein.

Das GDolmG werde bereits wegen seiner mit Händen greifbaren Verfassungswidrigkeit zu bekämpfen sein, so der 1. Vorsitzende des ADÜ-Nord, Jörg Schmidt. Und zwar notfalls mit einer oder mehreren Verfassungsbeschwerden betroffener Berufsträger. Der Bundesgesetzgeber solle sich in seinem weiteren Tun dessen bewusst sein.

Konzeptionell unausgegoren und handwerklich schlecht gemacht

In dem Schreiben des ADÜ Nord an ausgewählte Parlamentarier heißt es unter anderem:

Nachdem der Berufsstand der Sprachmittler/innen im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren des GDolmG quasi überrumpelt und durch ministeriell veranlasste Übereilung von der Möglichkeit einer konstruktiven Einflussnahme auf das ihn betreffende Gesetzesvorhaben abgeschnitten worden ist, mussten wir mit ansehen, wie verantwortliche Parlamentarier diverse Verfassungsbrüche in Kauf nahmen. Und nun scheint sich diese äußerst bedenkliche Entwicklung in Gestalt des obigen Gesetzesänderungsvorhabens sogar zu perpetuieren.

Wie Sie verstehen werden, können wir diesem Geschehen sowohl aus unserer Perspektive als betroffene Berufsträger/innen als auch in unserer Eigenschaft als Staatsbürger/innen nicht tatenlos zusehen. Wir fühlen uns geradezu gezwungen, auf die beobachteten Verstöße und Fehlentwicklungen hinzuweisen und dort zu intervenieren, wo die Möglichkeit hierzu besteht.

ADÜ Nord: „Aus unserer Sicht wird das GDolmG in seiner Gänze aufzuheben sein“

Vor dem Hintergrund des oben Ausgeführten möchten wir anregen, dass Sie die obigen Vorgänge prüfen und in Ihrer parlamentarischen Arbeit die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um insbesondere sicherzustellen, dass die Vorschriften des Grundgesetzes eingehalten werden. Aus unserer Sicht wird das GDolmG in seiner Gänze aufzuheben sein.

In diesem Zusammenhang möchten wir auf die große Bedeutung hinweisen, die eine qualitativ hochwertige Sprachmittlung in der Rechtspflege in den einschlägigen rechtlichen Verfahren für die konkrete Verwirklichung des Rechtsstaats hat.

Wie Sie aus dem ebenfalls beigefügten Positionspapier […] des ADÜ Nord e. V. entnehmen können, leidet das inzwischen verabschiedete Gerichtsdolmetschergesetz jenseits der oben angesprochenen, kompetenzrechtlichen Probleme an erheblichen konzeptionellen Schwächen. […]

Abschließend möchten wir festhalten, dass wir eine grundlegende Reform des Berufsrechts der im rechtlichen Bereich tätigen Dolmetscher/innen und Übersetzer/innen seit Langem für überfällig halten, wobei eine umfassende bundesrechtliche Regelung durchaus in Betracht kommt.

Das verabschiedete GDolmG ist allerdings konzeptionell zu unausgegoren und handwerklich zu schlecht gemacht, als dass mit ihm die Zukunft der Sprachmittlung in der Rechtspflege nachhaltig wirksam und qualitätssichernd gestaltet werden könnte.

Mehr zum Thema

Weiterführender Link

rs