Kurz vor Silvester konnte der ADÜ Nord in Hamburg die Sektkorken knallen lassen, denn das Spendenziel von 45.000 Euro war am 28. Dezember 2022 nicht nur erreicht, sondern sogar leicht überschritten worden.
Damit stehen einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) nun zumindest keine finanziellen Hürden mehr im Weg.
„Bahnbrechendes für Berufsstand geleistet“
In einem Newsletter an die vom Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) Betroffenen schrieb Jörg Schmidt, der 1. Vorsitzende des Verbands, am 4. Januar 2022:
Zum Jahresauftakt 2023 haben wir allen Grund, uns zu freuen und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Dank Ihrer großzügigen Spenden haben wir nämlich noch im alten Jahr gemeinsam Bahnbrechendes für unseren Berufsstand geleistet.
Der planmäßige Spendenzielbetrag von 45.000 € zur Finanzierung einer Verfassungsbeschwerde gegen das GDolmG wurde am 28.12.2022 erreicht und sogar etwas überschritten!
Da ist es angemessen, einen Moment innezuhalten und sich zu vergegenwärtigen, was zum Jahreswechsel Realität geworden ist. Wir haben nun das Geld für eine Verfassungsbeschwerde beisammen.
Viele haben Zweifel gehabt und uns einen solchen Erfolg nicht zugetraut. Und doch haben wir es gemeinsam geschafft. Eine berufsständische Aktion mit einem so schnellen und handfesten Ergebnis hat es in unserer Branche noch nie gegeben. Wie auch immer die Dinge sich nun weiter entwickeln, diesen Meilenstein kann uns niemand mehr nehmen.
„GDolmG verfassungsrechtlich problematisch und misslungen“
Nun gehe die Arbeit erst richtig los, so der Verbandschef. Das GDolmG sei verfassungsrechtlich so problematisch und regulatorisch so misslungen, dass es als Grundlage der Berufstätigkeit keinen Bestand haben dürfe. Es gehe hier nicht um kosmetische Korrekturen oder eine bloße Optimierung, sondern um eine grundlegende Weichenstellung für die Zukunft des Berufsstands und die Sicherstellung von guter Sprachmittlung in der Rechtspflege.
Verfassungsbeschwerde wird vorbereitet
Schmidt weiter: „Deshalb machen wir vom ADÜ Nord uns jetzt unverzüglich daran, die nächsten Schritte zur Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde gegen das GDolmG zu unternehmen.“ Man spreche bereits mit der Anwaltskanzlei, um einen konkreten Zeitplan festzulegen:
Unser Ziel ist es, die Mandatierung schnellstmöglich zu erledigen und die Verfassungsbeschwerde bis zum Ende des ersten Quartals 2023 ausarbeiten und einreichen zu lassen.
Nächste Hürde Annahmeverfahren
Nach Einreichung der Verfassungsbeschwerde müsse zunächst das Annahmeverfahren durchlaufen werden. Dies stelle eine erhebliche, aber nicht unüberwindbare Hürde auf dem Weg zu einer Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts dar. Schmidt gibt zu bedenken:
Insofern besteht an dieser Stelle stets das Risiko eines vorzeitigen prozessualen Aus, das allerdings gerade in der Sache des GDolmG notwendig eingegangen werden muss.
Für Gerichtsdolmetscher beginnt vierjährige Übergangsfrist
Berufsrechtlich beginne nun eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2026, heißt es in dem Newsletter. Bis dahin behielten die bisherigen landesrechtlichen Bestellungen zum Dolmetscher ihre Gültigkeit. Bis Ende des Jahres 2026 sei es somit problemlos möglich und zulässig, sich vor den Gerichten und sonstigen staatlichen Stellen auf die bisherige Bestellung und allgemeine Beeidigung zu berufen. Die Empfehlung des ADÜ Nord lautet:
Für alle beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher bietet es sich unseres Erachtens aufgrund der mehrjährigen Übergangsfrist und der geplanten Verfassungsbeschwerde an, jedenfalls zunächst keinen Beeidigungsantrag nach dem GDolmG zu stellen. Es erscheint sinnvoll, vorerst die weiteren berufsrechtlichen Entwicklungen und den Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen das GDolmG abzuwarten.
Sollte das Bundesverfassungsgericht das GDolmG nämlich für nichtig erklären, wären alle vom Bundesgesetzgeber auf den Weg gebrachten Änderungen des Beeidigungsrechts und selbstverständlich auch hiernach erforderliche Erneuerungen der Beeidigung gegenstandslos.
Für Übersetzer gelten weiterhin die Landesvorschriften
Für die vom GDolmG nicht erfassten Übersetzer und Gebärdensprachdolmetscher gelten weiterhin die jeweiligen landesrechtlichen Ermächtigungsvorschriften. Diese wurden in vielen Fällen bereits an das GDolmG angepasst, sodass sich unter Umständen mit dem Jahreswechsel Änderungen ergeben.
Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen müssen sich daher in ihrem Bundesland über die nun geltenden Vorschriften und Übergangsfristen informieren.
Online-Infoveranstaltung geplant
Am 10. Januar 2023 will der ADÜ Nord im Rahmen eines Online-Kollegentreffens über den Stand der Dinge und das weitere Vorgehen informieren und Fragen dazu beantworten. Die Zoom-Sitzung steht allen Interessierten offen.
- 2022-12-21: ADÜ Nord hat Spendenvolumen fast erreicht: Endspurt für Verfassungsbeschwerde gegen GDolmG
- 2021-11-03: GDolmG: ADÜ Nord prüft Verfassungsbeschwerde – Spendenaufruf für Vorgutachten
- 2019-11-28: GDolmG: Gesetzgeber lädt Verbände, ignoriert Einwände und peitscht Gesetz durch
Richard Schneider