„Grammatische Folgeprobleme noch nicht geklärt“ – Rechtschreibrat lehnt Gendersternchen & Co. zum dritten Mal ab

Gendern mit Sternchen, Doppelpunkt, Tiefstrich
Bild: 3dman_eu / Pixabay

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am 14. Juli 2023 auf seiner Sitzung in der deutschsprachigen Region Belgiens beschlossen, das amtliche Regelwerk um einen Passus „Sonderzeichen“ zu ergänzen, sofern die staatlichen Stellen dem zustimmen.

Darin wird festgestellt, dass Wortbinnenzeichen wie das Gendersternchen, der Doppelpunkt oder der Unterstrich zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten „nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören“. Weiter schreibt der Rat in einer in Eupen veröffentlichten Pressemitteilung:

Bei den Sonderzeichen mit Geschlechterbezug soll […] eine metasprachliche Bedeutung transportiert werden. Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).

Die Entwicklung des Gesamtbereichs sei „noch nicht abgeschlossen“. Sie werde vom Rat für deutsche Rechtschreibung deshalb „weiter beobachtet“.

Kurz gefasst: Die politisch-ideologisch motivierte Verwendung der Sonderzeichen ist nicht geregelt und wegen der vielfältigen Inkonsistenzen und „grammatischen Folgeprobleme“ auch kaum in Regeln zu fassen. Schon deshalb kann sie nicht ins Regelwerk der amtlichen Rechtschreibung aufgenommen werden.

Damit haben sich die Genderisten nach 2018 und 2021 die dritte Klatsche in Folge durch den Rat für deutsche Rechtschreibung eingefangen.

Immerhin: Problem wird jetzt im Regelwerk erwähnt

Allerdings könnten die Befürworter des Genderns die Tatsache, dass das Problem nun wohl erstmals im Regelwerk erwähnt und beschrieben wird, als Erfolg werten. Und aus der Formulierung, dass die betreffenden Sonderzeichen „nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehören“, könnten sie frohlockend folgern, dass sie wenn schon nicht zum „Kernbestand“, so doch immerhin zum Bestand gehören. Und dass ihre Nutzung nicht nur möglich, sondern auch erlaubt ist.

Gendersternchen, Doppelpunkt, Unterstrich
Bild: UEPO

Gendersternchen ist tot – gegendert wird mit dem Doppelpunkt

Dass die Strategie des Rats „Abwarten und Tee trinken“ nicht unklug ist, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Das ursprünglich als Genderzeichen vorgeschlagene Sternchen wird kaum noch verwendet. Universitäten, Regierungen, Behörden, öffentlich-rechtliche Medien und Konzerne als Hauptpropagandisten der Genderideologie nutzen inzwischen überwiegend den Doppelpunkt, weil er im Schriftbild nicht ganz so hässlich und störend wirkt wie das Sternchen oder der Tiefstrich.

Die Pressemitteilung des Rats im Wortlaut:

*

Amtliches Regelwerk der deutschen Rechtschreibung:
Ergänzungspassus Sonderzeichen

Pressemitteilung vom 14.07.2023

Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 14.07.2023

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat in seiner Sitzung am 14.07.2023 in Eupen eine Ergänzung des Amtlichen Regelwerks für die deutsche Rechtschreibung beschlossen, die nach öffentlicher Anhörung den staatlichen Stellen zur Zustimmung vorgelegt werden wird:

Sonderzeichen

Als Sonderzeichen gelten typografische Zeichen wie etwa das Paragrafenzeichen (§), das Prozentzeichen (%) oder das kaufmännische Und (&). Diese gehören nicht zu den Satz- oder Wortzeichen und daher auch nicht zur Interpunktion im engeren Sinne. Sie sind durch einen eindeutigen formalen Status, etwa eine vordefinierte Stellung im Satz, in einer Auflistung u. a. gekennzeichnet (so z. B. §) vor der Paragrafenziffer (§ 2 BGB).

Auch die Verwendung von Sonderzeichen unterliegt Regeln: Typografische Regeln haben zum Teil den Status von Konventionen, zum Teil sind sie als DIN- oder anderweitige Normen durch das Deutsche Institut für Normung (DIN), die ÖNORMEN oder die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) festgelegt.

Zunehmend werden bei Personenbezeichnungen orthografische Zeichen wie der Doppelpunkt (:) – allerdings ohne ein folgendes Leerzeichen (Bürger:innen) – oder Sonderzeichen wie Asterisk (*), Unterstrich (_) oder andere Zeichen im Wortinneren verwendet.

Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie. Sie sollen eine über die formalsprachliche Funktion hinausgehende metasprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten – männlich, weiblich, divers – vermitteln: die Schüler:innen, die Kolleg*innen. Sie gehen damit über Verkürzungsformen wie Bürger/-innen, die vom Amtlichen Regelwerk bereits erfasst werden, hinaus.

Die Besonderheit der Wortbinnenzeichen zur Kennzeichnung einer geschlechterübergreifenden Bedeutung liegt darin, dass sie auf die orthografisch korrekte Schreibung von Wörtern unmittelbar einwirken. Diese Eigenschaft teilen sie mit einigen Satz- bzw. Wortzeichen (wortinterne Klammern, Apostroph, Bindestrich, Anführungszeichen), deren wortinterne Verwendung im Amtlichen Regelwerk beschrieben wird.

Bei den Sonderzeichen mit Geschlechterbezug soll jedoch eine metasprachliche Bedeutung transportiert werden. Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).

Die Entwicklung des Gesamtbereichs ist noch nicht abgeschlossen und wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung weiter beobachtet werden.

Rat für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache
R 5, 6 – 13
D – 68161 Mannheim
Fon (+49 621) 1581-204 | Fax (+49 621) 1581-200
info@rechtschreibrat.com | www.rechtschreibrat.com

* * *

Über den Rat für deutsche Rechtschreibung

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist ein zwischenstaatliches Gremium, das von den staatlichen Stellen damit betraut wurde, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln.

Ihm gehören 41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Von diesen stammen achtzehn aus Deutschland, je neun aus Österreich und der Schweiz und je eines aus dem Fürstentum Liechtenstein, aus der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und von der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Das Großherzogtum Luxemburg ist mit einem Mitglied ohne Stimmrecht kooptiert.

Der Rat ist somit die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung und gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung tritt mindestens zweimal im Jahr zu einer Sitzung zusammen. Die Sitzungen im Plenum dienen dem Austausch von Positionen und der Klärung von Grundsatzfragen. Die Arbeitsgruppen tagen zwischen den Sitzungen je nach Erfordernis und bereiten Ergebnisse für den Rat auf.

Mehr zum Thema

Richard Schneider