Der Literatur-Nobelpreis 2023 wurde am 5. Oktober 2023 dem norwegischen Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker und Kinderbuchautor Jon Fosse zuerkannt: „For his innovative plays and prose which give voice to the unsayable.“
Damit kann der deutsche Buchhandel nach den Katastrophenjahren 2020 und 2021, als keine Übersetzungen vorlagen, die man ins Schaufenster hätte stellen konnte, gut leben. Denn gut die Hälfte der über 50 Werke Fosses liegen in deutscher Übersetzung vor und sind lieferbar. Obwohl Fosse kein Bestseller-Autor ist, wurden seine Texte bereits in rund 40 Sprachen übersetzt.
Diesmal besteht auch kein Übersetzungsrechte-Chaos wie 2021 bei Abdulrazak Gurnah. Die meisten Übersetzungen Fosses sind bei Rowohlt erschienen und wurden von Hinrich Schmidt-Henkel übertragen, der seit 2001 als Fosses Stammübersetzer gilt. Autor und Übersetzer sind im selben Jahr geboren: 1959.
Übersetzer als Experten gefragte Gesprächspartner der Medien
Jedes Mal, wenn ein Autor den Nobelpreis erhält, stürzen sich die Medien auf dessen Übersetzer. Denn diese sind in das Werk tiefer eingetaucht als die Literaturkritiker des Feuilletons. Nicht selten kennen Übersetzer die Texte besser als der Autor selbst.
Das gilt erst recht dann, wenn sich – wie in diesem Fall – die Partnerschaft über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten erstreckt. Schmidt-Henkel hat mit Fosse nicht nur fortlaufend kommuniziert, sondern auch gemeinsame Lesereisen unternommen, spricht im Interview mit dem Deutschlandfunk von einer „Lebensbeziehung“.
In einer ersten Stellungnahme gegenüber dem PEN Berlin erklärte Schmidt-Henkel:
Fosse ist für mich schon seit vielen Jahren einer der wichtigsten Autoren. Einer, der regional verankert Weltliteratur schreibt. Er wird überall auf der Welt verstanden und hat überall auf der Welt etwas zu sagen. Eine richtige Entscheidung.
Der Deutschlandfunk führte mit Schmidt-Henkel bereits zwei Stunden nach Bekanntgabe des Preisträgers ein Interview (siehe Link weiter unten).
Fosse ist selbst Übersetzer aus dem Deutschen und Englischen
Der jetzt mit dem höchsten Literaturpreis ausgezeichnete Schriftsteller ist selbst als Übersetzer tätig und hat aus dem Deutschen bereits Thomas Bernhard, Georg Büchner, Peter Handke und Franz Kafka in seine Muttersprache Norwegisch übersetzt, aus dem Englischen Samuel Beckett, James Joyce und Sarah Kane.
Weiterführender Link
Interview des Deutschlandfunks mit Hinrich Schmidt-Henkel zur Preisverleihung an Jon Fosse:
- 2021-10-08: Literatur-Nobelpreis an Abdulrazak Gurnah: Keine Übersetzungen lieferbar
- 2020-10-08: Literaturnobelpreis für Louise Glück: Nur zwei Werke wurden übersetzt – und die sind vergriffen
Richard Schneider