Am 27. Mai 2024 ist gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland eine „kleine Linguistik des Fußballs“ erschienen, die den Titel Reingegrätscht trägt.
Herausgegeben hat sie Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker, ein Sprachwissenschaftler der TU Dresden, der als linguistischer Spaßvogel auf TikTok eine ganz große Nummer sein soll.
In der Verlagsankündigung heißt es:
Fußball wird nicht nur gespielt und geschaut, über Fußball wird auch gesprochen und geschrieben. Woche für Woche füllt er Medien und Alltagsgespräche und ist für viele Menschen nicht nur ein Zeitvertreib, sondern beziehungs- und identitätsstiftend. Es ist deshalb kein Wunder, dass sich auch die Sprachwissenschaft für das Kulturphänomen Fußball interessiert.
Denn die Sprache des Fußballs, wie sie von Spieler:innen, Trainer:innen, Journalist:innen und natürlich den Fans gepflegt wird, ist ein ausgezeichneter Trainingsplatz für die unterschiedlichsten linguistischen Teildisziplinen.
Zur Fußballeuropameisterschaft der Männer, die 2024 in Deutschland stattfindet, hat Simon Meier-Vieracker ein Team von fußballinteressierten Sprachwissenschaftler: innen zusammengestellt, die das Feld der linguistischen Fußballforschung vermessen.
Herausgekommen ist ein Buch, so vielfältig wie die Sprache des Fußballs selbst. Ein Tiki-Taka aktueller sprachwissenschaftlicher Fragen, das alle begeistern wird, die Sprache oder Fußball mögen – und vielleicht sogar beides. Einfach überragend!
In seinem Vorwort schreibt der Herausgeber:
[…] Die Bedeutung von Sprache und Kommunikation für den Fußball, von der Fachterminologie der Trainingslehre und der Regelwerke über rhetorische Strategien in Kabinenansprachen oder im Umgang mit der Presse bis hin zur Antidiskriminierungsarbeit in den Fanszenen, wird von Fußballakteur:innen sehr wohl gesehen. Wenn man den Fußballjournalismus dazurechnet, der vom Reden und Schreiben über den Fußball buchstäblich lebt, erst recht.
Umgekehrt hat die Linguistik schon vor vielen Jahrzehnten den Fußball für sich als Gegenstand entdeckt. Die Sprache des Fußballs, wie sie von Spielerinnen, Trainerinnen, Journalistinnen und natürlich den Fans gepflegt wird, ist ein ausgezeichneter Trainingsplatz für die unterschiedlichsten linguistischen Teildisziplinen.
Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit linguistischer Fußballforschung zu zweifeln, denn warum sollte man das linguistische Kerngeschäft, die Untersuchung von Sprache und Sprachgebrauch, nicht am Beispiel der Sprache des Fußballs betreiben? Es spricht aber noch ein weiterer Grund für eine Linguistik des Fußballs: Es macht einfach Spaß. […]
Diese Sprache ist für den Fußball von größter Bedeutung, auch wenn der innerste Kern des Fußballspielens, also die Bewegungen von Körper und Ball, ohne Sprache auskommt.
Aber erst durch Sprache wird der Fußball kommunizierbar, deutbar und schließlich auch erzählbar, angefangen von den vielfältigen Bezeichnungen der Spiel- und Wettkampfelemente über die Metaphern zur bildhaften Repräsentation des Geschehens bis hin zu den kulturellen Schemata, die ein Spiel etwa als „Kampf von David gegen Goliath“ erscheinen lassen. […]
Inhalt
- Simon Meier-Vieracker: Geht’s raus und schreibt’s über Fußball! Anstelle eines Vorworts
Vorberichte
- Karina Frick: Fußball und Frauenfußball? (Bezeichnungs-)Ungleichheiten im Fußball
- Thomas Gloning: Torhüter in Texten und Medien. Eine Annäherung
- Cornelia Gerhardt: Der Fehleinkauf als Held
Erste Halbzeit
- Marcus Callies: In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Solidarität zwischen rivalisierenden Fangruppen
- Tatjana Scheffler: Emojis und Gruppenidentität auf Twitter
- Sören Stumpf: „Zuckerpass, Traumtor, die Fans außer sich“. Evaluative Wortbildung in Fußball-Livetickern
Halbzeitpause
- Daniel Pfurtscheller: Córdoba in der deutschen Wikipedia
- Sven Staffeldt: Die Statik des Spiels. Ein Gespräch mit ChatGPT
- François Conrad: Fußballzwerg und fußballsprachlicher Riese. Lexikalische Vielfalt im Luxemburgischen
Zweite Halbzeit
- Alexander Geyken: Die Zeit von der Uhr nehmen. Einige aktuelle Entwicklungen der Fußballsprache im Allgemeinwortschatz
- Sascha Wolfer: Lukas Podolski, Birgit Prinz und Joseph Haydn. Unbestimmt stehen sie für mehr
- Angelika Linke: Sieg! Zur Geschichte eines Emotionsdisplays
Nachberichte
- Antje Wilton: Über Scheißfragen. Fragedesign und Wissensaushandlung in Fußballinterviews
- Stefan Hauser: „Wir sind eine gut integrierte Truppe.“ Zur Psycholinguistik von Versprechern in Fußball-Zitaten
- Konstanze Marx: Beim Doppelpass: Kopf hoch
Aufstellung
Bibliografische Angaben
- Simon Meier-Vieracker (2024, Hg.): Reingegrätscht – Eine kleine Linguistik des Fußballs. Tübingen: Narr Francke Attempto. 224 Seiten, auf Papier 32,00 Euro, in Dateiform 25,99 Euro, ISBN 978-3-381-11481-8. Auf Amazon bestellen. Hinweis zu Amazon-Links.
- 2023-11-19: Von Abblocken bis Zweitligist: „Wörterbuch der Fußballsprache“ von Armin Burkhardt
- 2014-06-20: Das Wörterbuch der Fußballsprache: Polnisch – Russisch – Englisch – Deutsch
- 2010-06-20: Von „abfälschen“ bis „Zweikampf“: Langenscheidts Praxiswörterbuch Fußball
- 2005-12-17: Von „abfälschen“ bis „Zweikampf“: Das Fußball-Glossar der britischen Botschaft
Richard Schneider