Dortmunder Comic-Streit zum Thema Black Comics – von „Aya“ bis „Zehntausend Elefanten“

Lilly Amankwah
Zum ersten Mal beim Dortmunder Comic-Streit dabei: die Soziologin und Kulturjournalistin Lilly Amankwah. - Bild: Richard Schneider

Zurzeit läuft im schauraum comic + cartoon die Ausstellung „Black Comics – Vom Kolonialismus zum Black Panther“. Sie bot den passenden Hintergrund für den 18. Dortmunder Comic-Streit, bei dem am 9. Januar 2024 sieben Titel vorgestellt, besprochen und bewertet wurden, die Geschichten von Schwarzen oder über Schwarze erzählen.

Trotz des winterlich-kalten Schmuddelwetters waren annähernd 30 Zuschauer erschienen. Diesen präsentierte das Comic-Quartett aus Dr. Alexander Braun, Sophia Paplowski, Ralf Marczinczik und Lilly Amankwah die folgenden Bände (Cover-Abbildungen weiter unten):

  • Herz der Finsternis (2018) von Catherine Anyango-Grünwald und David Zane Mairowitz, basierend auf einer Erzählung von Joseph Conrad. Übersetzung Henry Gidom.
  • Zehntausend Elefanten / Diez mil elefantes (2023) von Pere Ortín und Nzé Esono Ebalé. Übersetzung aus dem Spanischen von Susanne Doppelbauer.
  • Kililana Song (2012) von Benjamin Flao, zwei Bände. Kein Übersetzer angegeben.
  • Aya aus Yopougon / Aya de Yopougon (2022) von Marguerite Abouet und Clément Oubrerie. Übersetzung: Kai Wilksen.
  • Aquaman – Schuld und Unschuld / Aquaman – The Becoming (2022) von Brandon Thomas. Übersetzung: Carolin Hidalgo.
  • Martin Luther King / The Complete King (2008) von Ho Che Anderson. Kein Übersetzer angegeben.
  • Rude Girl (2022) von Birgit Weyhe.

Ausgangssprachen bei den Übersetzungen sind Englisch, Französisch und Spanisch. Die Hautfarben der für Text und Artwork Verantwortlichen sind übrigens bunt gemischt. Schwarze Autorin, weißer Zeichner, schwarzes Duo, weißes Duo oder in Afrika aufgewachsene Weiße – fast jede Kombination war vertreten.

Dortmunder Comic-Streit
In der Veranstaltungsreihe werden nach Art des aus dem Fernsehen bekannten Literarischen Quartetts Bücher der grafischen Literatur vorgestellt und besprochen. Die Juroren vergeben anschließend für jeden Titel Punkte von 1 bis 10, wobei 10 die Höchstnote ist. Hier die eher schwache Wertung für den als misslungen betrachteten Titel Herz der Finsternis. – Bild: Richard Schneider
Dr. Alexander Braun
Treibende Kraft der vitalen Dortmunder Comic-Szene ist Dr. Alexander Braun, der sich als Kurator zahlreicher Ausstellungen bundesweit einen Namen gemacht hat. In der Regel erstellt der Kunsthistoriker und Künstler dazu einen umfassenden, großformatigen Katalog, der sich schon oft als neues Standardwerk zum jeweiligen Thema erwiesen hat. – Bild: Richard Schneider
Sophia Paplowski
Der schauraum comic + cartoon ist organisatorisch dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte sowie der gegenüberliegenden Stadt- und Landesbibliothek angegliedert. Sophia Paplowski ist für die gut sortierte Comic-Abteilung der Bibliothek zuständig und Mitarbeiterin des Schauraums. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit, Ralf Marczinczik
Ralf Marczinczik ist ebenso wie Alexander Braun ein Kind des Ruhrgebiets. Der gelernte Drucker und studierte Kommunikationsdesigner war Art Director bei Phenomedia und Flaregames. Zuletzt machte der leidenschaftliche Zeichner mit seinem eigenen Comic Digger Furore. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit
Echte Streitfragen gab es beim 18. Dortmunder Comic-Streit nicht, nur unterschiedliche Geschmäcker. Während die eine einen Aquaman-Comic lobt, kann die andere mit den verworrenen Paralleluniversen amerikanischer Superhelden grundsätzlich nicht viel anfangen. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit
Einig waren sich alle vier Diskutanten darüber, dass weiße Autoren und Zeichner durchaus Geschichten von Schwarzen erzählen dürfen. Alexander Braun erhielt für diese Feststellung spontanen Beifall aus dem Publikum. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit
Am besten bewertet wurde der zweibändige Titel Kililana Song, dessen Handlung in Kenia spielt. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit
Zum Abschluss posierte das Comic-Quartett für ein Erinnerungsfoto. – Bild: Richard Schneider
Dortmunder Comic-Streit
Der 18. Dortmunder Comic-Streit wurde wie üblich aufgezeichnet. Er wird nach dem Schnitt auf YouTube abrufbar sein. – Bild: Richard Schneider
schauraum comic + cartoon
Die Ausstellung „Black Comics – Vom Kolonialismus zum Black Panther“ ist seit dem 16. November 2024 und noch bis zum 27. April 2025 in den zentral gelegenen Räumlichkeiten gegenüber dem Hauptbahnhof zu sehen. Der Eintritt ist frei. Vor der Einrichtung des Schauraums im April 2019 war an derselben Stelle die Dortmunder Tourist Info untergebracht. – Bild: Richard Schneider

Black Comics aus 15 Jahren

Black Comics sind kein eigenes Genre und es gibt keine spezifisch schwarze Comic-Tradition – auch nicht in Afrika. (Comic-Hochburg des Kontinents ist der Kongo.) Dennoch lohnt es sich, die Comic-Produktion der vergangenen Jahre und Jahrzehnte aus einem „schwarzen“ Blickwinkel zu beleuchten. Wie hat sich inhaltlich und grafisch die Darstellung von Schwarzen im Verlauf von 100 Jahren gewandelt – von Tim im Kongo bis Aya? Welche Geschichten erzählen Weiße über Schwarze? Welche Geschichten erzählen schwarze Zeichner und Autoren über sich selbst? Wie unterscheidet sich der europäische Blick auf Afrika vom Selbstbild des schwarzen Kontinents?

Herz der Finsternis, Zehntausend Elefanten
Herz der Finsternis versucht, die bekannte Erzählung von Joseph Conrad als Graphic Novel umzusetzen, was aber nur unzulänglich gelingt. – „Zehntausend Elefanten“ verblüfft durch vielfältige und ungewöhnliche Zeichentechniken, zum Beispiel mit farbigen Kugelschreibern.
Kililana Song
Der zweibändige Titel „Kililana Song“ des kenianischen Autors und Zeichners Benjamin Flao.
Aya, Aquaman
Die nicht nur in Frankreich kommerziell erfolgreiche Aya-Reihe spielt in Abidjan, der bedeutendsten Stadt (aber nicht Hauptstadt) der Elfenbeinküste. – Der Aquaman-Band Schuld und Unschuld ist in der Pride-Reihe von DC Comics erschienen. Zumindest dieser Aquaman macht sich also nichts aus Meerjungfrauen.
Martin Luther King, Rude Girl
Die textlastige Comic-Biografie „Martin Luther King“ wurde von der Runde als inhaltlich „schwere Kost“ bezeichnet. Zumindest kann man den Band nicht schnell nebenbei konsumieren. Konzentrierte Lesearbeit ist angesagt. – Die deutsche Autorin von „Rude Girl“ hat ihre gesamte Kindheit und Jugend in Afrika verbracht. Trotzdem wurde ihr an einer US-Universität „kulturelle Aneignung“ vorgeworfen – weil sie weiß ist.

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Richard Schneider