Der Böse und der Gute: Doppelbiografie zu Eugen Dollmann und Heinz Riedt erschienen

Heinz Riedt, Eugen Dollmann
Heinz Riedt übersetzte mehr als 100 Titel aus dem Italienischen, Eugen Dollmann dolmetschte für Hitler, Himmler und Mussolini. - Bild: Ch. Links Verlag

Eugen Dollmann ist in der Übersetzungsbranche durch seine 1963 erschienene Autobiografie Dolmetscher der Diktatoren bekannt. Jetzt ist seine filmreife Lebensgeschichte erneut Gegenstand eines Buchs.

Eugen Dollmann: Dolmetscher der Diktatoren
Eugen Dollmanns Autobiografie „Dolmetscher der Diktatoren“ ist nur noch antiquarisch erhältlich. – Bild: Richard Schneider

Der langjährige Spiegel-Redakteur Andreas Wassermann hat eine Doppel-Biografie zu zwei Jahrhundertleben zwischen Deutschland und Italien verfasst, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Im Klappentext heißt es:

Beide liebten Italien, die Lebensart, die Kultur, die Sprache, und waren ausgesprochen italophil. Sie hätten Freunde sein können. Doch der Historiker Eugen Dollmann (1900–1985) und der Literaturstudent Heinz Riedt (1919–1997) schlugen im Zweiten Weltkrieg diametral verschiedene Richtungen ein: Dollmann war einer der höchsten SS-Offiziere im besetzten Italien, Riedt Antifaschist und Partisan.

Der Autor begibt sich auf Spurensuche in Italien und Deutschland und erzählt auch die Nachkriegsgeschichte im geteilten Deutschland. Dollmann, der „Dolmetscher der Diktatoren“, blieb in der Bundesrepublik unbehelligt und biederte sich den Geheimdiensten an.

Riedt lebte bis zum Mauerbau in der DDR, übersetzte u. a. Primo Levis Buch Ist das ein Mensch? und verbrachte seine letzten Lebensjahre auf Procida.

Spiegel enthüllt: Dollmann machte sich nichts aus Frauen

Der Spiegel, ein Magazin, das sich dem Qualitätsjournalismus zurechnet, stellt das Werk recht boulevardesk vor und weist in der Einleitung des Artikels gleich zweimal darauf hin, dass Dollmann nicht nur italo-, sondern auch homophil war – als ob es sich dabei um eine weitere schwere Verfehlung des Verbindungsoffiziers handeln würde:

Homosexueller SS-Spion Dollmann: Der Küss-die-Hand-Nazi des BND

Ein schwuler Bonvivant arbeitet im faschistischen Rom als SS-Offizier für Himmler und nach Kriegsende für den BND? Klingt nach Agentenkrimi, hat sich aber so zugetragen. Die erstaunliche Karriere des Eugen Dollmann. […]

Das „Bonvivant“-Image pflegt Dollmann hingegen auch selbst. Schon im ersten Absatz seiner Memoiren Dolmetscher der Diktatoren geht es um Champagner, Krawatten und das Hotel Adlon:

Das Champagnerglas war beschlagen. Ich nahm einen Schluck und trat vor den Ankleidespiegel, um die Krawatte zu binden. Es war eine farbenfrohe, übermütige Krawatte. Warum auch nicht! Schließlich war Frühling. Der April dieses Jahres 1937 gab sich für Berliner Verhältnisse ungewöhnlich heiter. Das Fenster meines sonnigen Zimmers im Hotel Adlon stand weit offen, und vom Tiergarten her drang durch das Brandenburger Tor ein Duftgemisch aus Benzingasen und Lindenblüten. Frühling in der Reichshauptstadt. Lange vermißt von mir, der viele Jahre hindurch nur den römischen Frühling kannte. Seit 1928 war ich nicht in Berlin gewesen.

Eugen Dollmann, Der Partisan und der SS-Mann
Bild: Ch. Links

Riedt übersetzte mehr als 100 italienische Werke ins Deutsche

Zu Heinz Riedts Wirken als Übersetzer heißt es in der Wikipedia:

Heinz Riedt übersetzte weit über hundert Titel italienischer Autoren. Einer der wichtigsten war Primo Levi, mit dem ihn auch eine persönliche Freundschaft verband. Ferner übertrug er Werke von Italo Calvino, Carlo Collodi, Carlo Emilio Gadda, Carlo Goldoni, Tommaso Landolfi, Gavino Ledda, Alessandro Manzoni, Luigi Pirandello und anderen.

Als Band 24 der Reihe Friedrichs Dramatiker des Welttheaters erschien 1967 seine Monographie von Carlo Goldoni.

Für seine übersetzerische Arbeit wurde er mit dem Premio Montecchio, dem Wieland-Preis und dem Premio Monselice ausgezeichnet; des Weiteren wurde er zum Commendatore der Republik Italien ernannt. Der deutsche Romanist Hartmut Köhler urteilte: „Riedt hat die deutsche Übersetzungskultur um meisterliche Beiträge bereichert.“

Inhaltsverzeichnis

Vorspiel

Erster Teil

  • Die Diktatur macht Pause – Italien 1943
  • Der SS-Mann ohne Eigenschaften – Eugen Dollmann
  • Der Student von Padua – Heinz Riedt
  • Der Mythos von Bella Ciao – Emilia-Romagna 2015
  • Alarich und der Fall Achse – Italien 1943
  • Die Ewige Stadt wird deutsch – Rom, Herbst 1943
  • I ribelli della montagna – Italien 1944
  • Ein Student wird Partisan – Padua 1944
  • Deckname „Renato“ – Padua 1944
  • Das Bekenntnis zum Widerstand – Procida 1995
  • Die Erinnerung an die Resistenza – Padua 2023
  • Auf der Suche nach „Marino“ – Padua 2023
  • Römische Erzählungen – Bundesrepublik Deutschland 1963
  • Der gute Deutsche – Sarzana 2023
  • Der gewendete Deutsche – Emilia-Romagna 1944

Zweiter Teil

  • Freiheit und Chaos in der Nachkriegszeit – Heinz Riedt
  • Die unsichtbare Front – Italien 1946
  • Diener vieler Herren – Eugen Dollmann
  • Wie Kriegsverbrecher geschützt wurden – Bonn 1952
  • Brecht, Goldoni und der real existierende Sozialismus – Ost-Berlin 1952
  • Im Land des kleinen Potjomkin – Chemnitz 2024
  • Die ungeliebten Genossen aus dem Süden – Ost-Berlin 1960
  • Wie aus Eugen Dollmann Stephan Dorn wurde – München 1969
  • Umbra profunda – Bayern 1965
  • Der stille Mensch von Procida – Golf von Neapel 2024

Nachspiel

Anhang

  • Literatur- und Quellenverzeichnis
  • Dank

Über den Autor

Andreas Wassermann, 1962 geboren in Memmingen und aufgewachsen in Ulm, studierte sieben Semester Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften in Hamburg, ab 1988 Volontariat bei der selbstverwalteten Wochenzeitung Hamburger Rundschau. 1990 ging er nach Dresden als Reporter der Dresdner Morgenpost und Korrespondent für die Leipziger Volkszeitung. 26 Jahre lang war er in Dresden, Frankfurt und Berlin Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Diverse investigative Recherchen führten ihn auch nach Italien. Wassermann wurde 2017 mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet.

Bibliografische Angaben

  • Andreas Wassermann (2025): Der Partisan und der SS-Mann – Zwei deutsch-italienische Biografien im 20. Jahrhundert. Berlin: Ch. Links Verlag. 288 Seiten, 25,00 Euro, E-Book 18,99 Euro, ISBN‎ 978-3962892227.

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