„Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“ – Micky-Maus-Übersetzerin Dr. Erika Fuchs gestorben

Carl Barks, Erika Fuchs
Erika Fuchs mit Carl Barks, dem wichtigsten Autor und Zeichner des Entenhausener Universums. – Bild: Ehapa

Vor wenigen Tagen ist Dr. Erika Fuchs im Alter von 98 Jahren in München verstorben. Die promovierte Kunsthistorikerin übertrug für die Wochenzeitschrift Micky Maus über Jahrzehnte die Geschichten von Donald und Co. ins Deutsche. Von 1951 bis 1988 war sie Chefredakteurin des Blatts. Bis 1972 übersetzte sie die Geschichten praktisch im Alleingang, danach nur noch die Episoden von Carl Barks.

Wegen ihrer feinsinnigen Formulierungen und der geistreichen Wortwahl wird sie von deutschsprachigen Donaldisten vergöttert. Der Spiegel schreibt in seinem Nachruf: „Erika Fuchs machte aus den manchmal drögen, mitunter sperrigen oder schlicht banalen Sätzen der amerikanischen Vorlagen funkelnde Kleinode.“

Onkel Dagobert ließ sie philosophieren: „Leichtfertig ist die Jugend mit dem Wort und bar jeden Sinnes für geschäftliche Dinge!“ Donalds Neffen Tick, Trick und Track schworen als Pfadfinder à la Schiller: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!“ Und Daniel Düsentrieb legte sie den Spruch „dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ in den Mund. Eine Wendung, die sich zum geflügelten Wort entwickelte und die ihre Schöpferin sicherlich um Jahrzehnte überleben wird. Fuchs war es auch, die die Figuren- und Städtenamen ins Deutsche übertrug.

Fuchs gilt als Erfinderin einer Verbform, die im Gegensatz zu der von ihr ebenfalls meisterhaft beherrschten Lautmalerei kein Geräusch, sondern einen Vorgang beschreibt. Beispiele: achselzuck, grübel, schluck, seufz, stöhn. Scherzhaft und fachsprachlich ungebäuchlich wird diese Verbform zu Ehren ihrer Vorkämpferin auch als „Erikativ“ bezeichnet.

Zum Übersetzen kam die zweifache Mutter erst nach dem Krieg im Alter von 44 Jahren – zunächst für den Reader’s Digest, dann für die Zeitschrift Micky Maus, deren Deutschland-Ausgabe von einem Projektteam beim Reader’s Digest vorbereitet wurde.

Erstaunlich ist, welches Echo die Nachricht von ihrem Ableben im deutschsprachigen Blätterwald von der Saar bis an die Oder, von der Etsch bis an den Belt hervorgerufen hat. Ähnlich viele Nachrufe auf einen Vertreter unserer Zunft wird es wohl erst wieder geben, wenn Harry Rowohlt die Schreibmaschine abgibt.

„Trauer in Entenhausen“, meldet der Spiegel. „Donalds Übersetzerin ist tot“, heißt es im stern. Als „Mutter aller Sprechblasen“ bezeichnet sie die Süddeutsche. „Jammer, seufz!“, lautet die Überschrift in der Frankfurter Rundschau. Der Standard beginnt seinen Bericht mit der Ortsangabe „Entenhausen/München“ und weist darauf hin, dass Elfriede Jelinek der „Füchsin“ schon vor Jahren den Büchner-Preis wünschte. Einige Auszüge:

Im Gegensatz zum amerikanischen Original gibt sie jeder Ente auch eine eigene Art zu sprechen. Donald etwa zitiert Klassiker als Ausgleich für sein lädiertes Ego, die Neffen plappern in nicht ganz vollständigen Kindersätzen und benutzen Teenager-Slang. Onkel Dagobert dagegen schwelgt in Zitaten. Ganz so, wie alte, wohlerzogene Herren es eben gerne machen. [stern]

Unzählige Entenhausen-Dramen hat sie mit mehr Hintersinn und lustiger ins Deutsche übersetzt, als es das amerikanische Original war. Wo Donald, „ein Niemand, der allernichtigste Niemand in ganz Entenhausen“ in der US-Version zu seinen nervenden Neffen etwa schlicht „no“ sagt, quäkt er im Deutschen ein bezeichnendes „mitnichten“. [taz]

Dass all das herzlich wenig mit dem Stil der Originale zu tun hat, wurde ihr selten zum Vorwurf gemacht. […] Die Regeln, nach denen sie ihre Comis übersetzte, lautete: „Hier kommt es nur darauf an, dass sich der deutsche Leser ebenso gut amüsiert wie der amerikanische.“ Nicht oft führt eine so deutliche Hinwegsetzung über den Stil eines Künstlers zu etwas Gutem – doch man kommt nicht über das Faktum hinweg, dass der große Carl Barks nicht einmal in den USA derart verehrt wird wie im deutschsprachigen Einzugsbereich von Frau Dr. Erika Fuchs. [Frankfurter Rundschau]

Fuchs glaubte im Gegensatz zu manchen ihrer Apologeten niemals, sie habe Barks‘ Geschichten verbessert oder erst zur Kunst erhoben. „Die amerikanischen Texte von Barks sind ja auch sehr gut. Nur, in jedem Land lachen Menschen über andere Dinge. Das ist eigentlich unübersetzbar. Der Witz liegt in Wortspielereien, in Andeutungen auf Gebräuche und Ereignisse. Das muß man umsetzen.“ [Die Welt]

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Pressemitteilung des Ehapa-Verlags zum Tod von Erika Fuchs:

Die Comic-Welt trauert um Dr. Erika Fuchs

Erika FuchsDr. Erika Fuchs starb am 22. April 2005 im hohen Alter von 98 Jahren in München. Die erste Chefredakteurin des „Micky Maus“-Magazins und langjährige Barks-Übersetzerin stammt aus Mecklenburg, wo sie am 7. Dezember 1906 als Erika Petri zur Welt kam. Schon als junges Mädchen zeichnete sie sich durch Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen aus. Nur so schaffte sie es, als einziges Mädchen ins städtische Knabengymnasium von Belgard an der Passante (Hinterpommern) aufgenommen zu werden. Das Privileg hatte die rebellische junge Dame der Schulbehörde mit Hilfe der Sozialdemokraten abgerungen, die in einer stürmisch verlaufenden Stadtratssitzung für ihre Aufnahme stimmten.

Nach ihrem Abitur studierte sie von 1926 bis 1931 Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte an den Universitäten von Lausanne, London und München. Ihren Abschluss machte sie magna cum laude mit ihrer Dissertation „Johann Michael Feichtmeyr – Ein Beitrag zur Geschichte des Rokoko“. 1932 heiratete sie Günter Fuchs, einen Diplomingenieur und Erfinder. Ihn neckte sie gerne mit dem Satz „dem Ingeniör ist nichts zu schwör“, den sie, als Übersetzerin Dr. Erika Fuchs, später berühmt machen sollte.

Sie zog mit Ihrem Mann in dessen Heimatort Schwarzenbach an der Saale (Oberfranken), von wo aus sie nach dem 2. Weltkrieg begann, als freie Mitarbeiterin für die deutsche Ausgabe von Reader’s Digest zu arbeiten. Eine dreiköpfige Abteilung beschäftigte sich dort gerade mit den Vorbereitungen zur ersten deutschen Ausgabe der Micky Maus. (Diese Abteilung sollte später das Gründungsteam des Ehapa-Verlags werden.) Man bot Dr. Erika Fuchs die Übersetzung an. „Ich hatte noch nie zuvor ein Comic-Heft in der Hand gehabt“, erzählt Dr. Erika Fuchs, „und bot mir Bedenkzeit aus. Es war mein Mann, der mich letztendlich ermutigte, das Projekt zu übernehmen. Er war der Meinung, dass in kürzester Zeit sehr viele Kinder diese Comics lesen würden und dass daher eine sorgfältige Übersetzung und eine gute Sprache besonders wichtig seien.“ So wurde Dr. Erika Fuchs die erste Chefredakteurin der Micky Maus.

Es ist nicht zuletzt der gelungenen Sprachartistik von Frau Dr. Fuchs zu verdanken, dass die Micky Maus so rasch in Deutschland heimisch wurde. Mit witzigen, geistreichen Dialogen deutschte sie die Geschichten nicht nur ein, sondern gab Ihnen eine zugleich intelligente und gehobene Sprachebene mit auf den Weg.

So schwelgte sie beim Texten – bei passender Gelegenheit – in korrekten Konjunktiven, Genitiven und Dativen. Die profunde Kennerin der deutschen Klassiker ist der Überzeugung: „Man kann gar nicht gebildet genug sein, um Comics zu übersetzen.“

Bei aller Sprachbildung wirken die Texte von Dr. Erika Fuchs nie steif. Klassiker sind für sie keine toten Sprachfossilien, sondern immer lebendiger Bestandteil ihrer Welt. Doch nicht nur klassisches Sprachgut arbeitete sie in ihre Texte ein, sie dichtete die Klassiker um und sorgte für so manchen Reim, der als geflügeltes Wort in die Alltagssprache einging. Umgekehrt integrierte sie auch immer wieder die Umgangssprache der Jugend in ihre Texte. Sie war immer eine aufmerksame Zuhörerin und Beobachterin und griff passende Neologismen der Jugendsprache auf um ihnen die höheren Weihen der Duckschen Sprachebene zu verleihen. So mancher Name von Nebenfiguren oder skurrile Aufschriften auf Geschäften und Straßenschildern im Bildhintergrund sind ihrer Beobachtungsgabe und ihrer Sammlertätigkeit zu verdanken, die allerorten Wortwitz aufspürte.

Fuchs hat die Sprache um viele Sprüche und Begriffe erweitert. Wenn die Popgruppe „Erste Allgemeine Verunsicherung“ singt „Grübel, grübel und studier!“, dann verdanken wir dieses heftige Nachdenken dem Fuchs’schen Geistesblitz, gezeichnete Geräusche mit lautmalerischem Charakter durch die Reduktion von Verben auf die Wortstämme zu kennzeichnen.

Krach-Bumm-Peng-Sprache? Dieser Vorwurf der früheren Comic-Kritikaster konnte Fuchs nie treffen. Selbst während der in den 50er Jahren erbittert geführten Schmutz- und Schundkampagne gegen Comics, in der diese sogar gesetzlich verboten werden sollten, war das Micky-Maus-Magazin in der damals – im übrigen erfolglos – eingebrachten Gesetzesvorlage ausdrücklich ausgenommen.

Dr. Erika Fuchs, die den in den letzten Jahren um ihre Person entstandenen Rummel in aller Bescheidenheit eher übertrieben findet, dachte immer, sie „tue etwas Anonymes“. Sie drängte nie ins Licht der Öffentlichkeit und war immer wieder überrascht, wenn ihr – bei einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte – jung und alt minutenlang applaudieren, sich mit den Ellbogen anrempeln und ihre Texte deklamieren. (Z. B. den Werbespruch: „Wer keine weiche Birne hat, kauft harte Äpfel aus Halberstadt!“) Aber es ist verdienter Applaus, den ihre Leser ihr spenden, denn sie hat über fünfunddreißig Jahre lang den Stil der Kinder- und Jugendlektüre geprägt und beeinflusst. Die Generationen, die mit ihr aufwuchsen sind heute diejenigen, die ins Internet gehen und sich online im Sprachstil von Fuchs unterhalten.

1994 hat Erika Fuchs erstmals Carl Barks getroffen, dessen Werk sie so kongenial ins Deutsche übertragen und durch ihren sprühenden Wortwitz ergänzt hat. Die beiden sind, das zeigte sich bei dieser Gelegenheit, verwandte Seelen in humoris causa. Im gleichen Jahr wurde ihr der Kulturpreis „Morenhovener Lupe“ verliehen. Im Jahr 1998 erhält sie den Deutschen Fantasy-Preis, 2001 den Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim und den Sonderpreis des Heimito-von-Doderer-Literaturpreises.

Fuchs, die grande dame der deutschen Comics, die sprachliche Wegbegleiterin ganzer Generationen, die in Entenhausen gleichermaßen beheimatet war wie in internationaler Literatur und im deutschen Kulturgut, hat noch bis vor kurzem an der Komplettierung der Deutschen Barks-Ausgaben mitgewirkt.

Der Verlag ist tief betroffen und vermisst mit ihr eine warmherzige und liebe Freundin, deren Ratschläge und intelligenten Anmerkungen uns fehlen werden!

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[Text: Richard Schneider. Bild: Ehapa, Dreidreizehn.]