Während viele Übersetzer noch rätseln, ob sich die aktuelle Weltwirtschaftskrise auf ihr Geschäft auswirken wird, belegt die Statistik der Mailingliste U-Jobs, dass der Abschwung den Übersetzungsmarkt längst erreicht hat – und zwar schon im Jahr 2007.
Richard Schneider, Mitbegründer der seit 1993 bestehenden Jobvermittlungsplattform für Übersetzer, führt die Statistik seit zehn Jahren. Er beobachtete bereits in den vergangenen Jahren, dass die U-Jobs-Daten durch ihre breite Basis von rund 2.500 teilnehmenden Übersetzern den Konjunkturverlauf der Branche sehr exakt nachzubilden scheinen. Eine Vermutung, die durch die deutlichen Spuren der gegenwärtigen Rezession in der U-Jobs-Kurve bestätigt wurde.
Was zeigen die Daten?
- Der Übersetzungsmarkt reagiert nicht – wie andere Branchen – mit einer monate- oder jahrelangen Verzögerung auf den allgemeinen Konjunkturverlauf. Im Gegenteil: Er reagiert sehr sensibel und umgehend auf jede konjunkturelle Auf- oder Abwärtsbewegung.
- Der Konjunkturverlauf des Übersetzungsmarktes scheint ein Sägezahnmuster aufzuweisen. Wobei jede nachfolgende Spitze etwas höher ausfällt als die vorangehende und jedes nachfolgende Tal nicht so tief ist wie das vorangehende. Im Durchschnitt und über Jahrzehnte betrachtet nimmt das Übersetzungsvolumen also stetig zu.
Prognose: Es ist davon auszugehen, dass die aktuelle Krise (2007/2008) die Wirtschaft heftiger treffen wird als die vorangehende der Jahre 2000/2001 (Platzen der Internet-Blase, Anschläge vom 11. September). Hinzu kommt, dass die Übersetzungsbranche in einem extrem exportabhängigen Land wie Deutschland wahrscheinlich stärker als in anderen Ländern betroffen sein wird.
Die U-Jobs-Kurve dürfte demnach noch mindestens drei weitere Jahre nach unten weisen. Nach der Krise von 2000/2001 ging es für die Übersetzungsbranche vier Jahre lang bergab, diesmal dürfte der Abschwung mindestens fünf Jahre dauern. Erst 2012 ginge es dann wieder bergauf.
Was bedeutet das für die Preise? Sie werden weiter stagnieren.
Schwere Zeiten für Übersetzer? Nicht unbedingt. Die Tatsache, dass das Übersetzungsvolumen insgesamt über einen Zeitraum von fünf Jahren deutlich langsamer steigt, stagniert oder sinkt, muss sich nicht zwangsläufig auf jeden einzelnen Übersetzer auswirken.
Zahlreiche Übersetzer berichten, dass sie von einer Krise nicht das Geringste spüren. Jüngere Kollegen, die sich noch in der Wachstumsphase befinden, werden auch weiterhin jedes Jahr mehr verdienen können. Nebenberufler, schlechte oder unternehmerisch und finanziell unbegabte Kollegen werden es hingegen schwerer haben. Sprachdienstleister, die seit Jahren oder Jahrzehnten etabliert sind, werden Krisenzeiten wie diese grundsätzlich leichter bewältigen als Neueinsteiger. Im Grunde verschärft und beschleunigt die Rezession lediglich die ohnehin stets ablaufenden Ausleseprozesse.
Links zum Thema im Übersetzerportal
- 2008-12-09: Wirtschaftskrise und Übersetzungsmarkt
- 2006-01-05: U-JOBS-Statistik 2005: Bestes Jahr bisher – Indiz für Trendwende auf Übersetzungsmarkt?
[Text: Richard Schneider.]