„Die spinnen, die Römer“ – wer kennt den Ausdruck nicht? Der Satz stammt aus der Feder der Übersetzerin der Asterix-Bände. Gudrun Penndorf hat ihn geschaffen. Aus der französischen Phrase „Ils sont fous, ces Romains“ wurde zunächst „Uuii, die Römer sind doof“. Merklich fehlt dem Satz der Rhythmus, die Betonung auf „Römer“. Und sind sie verrückt? Doof? Nein, die spinnen! Mittlerweile sind Asterix-Comics in mehr als 100 Sprachen übersetzt worden, darunter Latein und Altgriechisch oder Mundarten wie Schwäbisch und Plattdeutsch.
Wenig Raum, viel Aussage: Comic-Übersetzern gelingt es, auf eng festgelegtem Raum Geschichten unterzubringen, Texte dürfen nicht ausufern.Doch ihre Leistung wird kaum gewürdigt, die Forschung steckt in den Kinderschuhen.
Nathalie Mälzer will dies ändern. Die Juniorprofessorin der Uni Hildesheim zeigt am Beispiel des Comics, wie Texte länder- und medienübergreifend übersetzt werden. Im Herbst lädt sie zur internationalen Comic-Konferenz ein. Comics landen auf der Bühne, in der Politik, aus Comics entstehen Filme und Videospiele. Auch Weltliteratur taucht in Kurzform auf.
„Die Kürze ist eine Herausforderung. Auf engstem Raum müssen Übersetzer die Aussagen in einer Sprechblase herüberbringen und komplexe Beziehungen zwischen Bild und Text berücksichtigen. Sie können nicht, wie bei Romanübersetzungen möglich, Informationen nach Bedarf ergänzen, der Platz ist begrenzt. Außerdem soll der Eindruck einer natürlichen Sprechweise der Figuren erhalten bleiben.
Übersetzer müssen also, in ihrer Sprache passende Mündlichkeitsmerkmale aussuchen, um die Illusion zu erzeugen, dass sich da Figuren unterhalten“, beschreibt Nathalie Mälzer die Anforderungen bei der Übersetzung von Comics. Dabei kann es ebenso schwierig sein, einen kurzen Satz oder Ausruf prägnant und für die Figurenzeichnung angemessen ins Deutsche zu übersetzen wie einen lang verschachtelten Satz eines Erzähltextes, so Mälzer.
„Auch für Laute und Geräusche müssen Comicübersetzer passende Worte (er)finden und phantasievoll in fremde Welten eintauchen. Soundwords und Lautmalerei können arge Kopfzerbrechen bereiten.“ Je unrealistischer das Szenario – wie müsste etwa in Kurt Busieks SciFi-Welt „Astro City“ eine startende Rakete auf Deutsch klingen, wenn sie im Englischen „SHREEEEEEEEEE“ macht? – desto weniger kann sich der Übersetzer auf seine Alltagserfahrung verlassen.
„Dabei sind Comic-Fans nicht alle Übersetzungen lieb – Mangas etwa enthalten auch in deutschsprachigen Ausgaben japanische Buchstaben mit hoher Bildqualität. Diesen Text versteht man ohne japanische Sprachkenntnisse nicht. Deshalb wird dort die Übersetzung dem Original-Soundword hinzugefügt.“
Nathalie Mälzer, Juniorprofessorin für Transmediale Übersetzung an der Universität Hildesheim, befasst sich mit den Arbeitsprozessen und Problemen, die mit der Übersetzung von Dialogen einhergehen – vom Mündlichen ins Schriftliche, von einer Sprache, einer Gattung oder einem Medium ins andere – und untersucht, wie sich dadurch Bedeutungen verschieben.
In einem dreijährigen Forschungsprojekt untersucht die Literaturwissenschaftlerin zurzeit fiktionale Medientexte, darunter Romane, Theateraufführungen, Comics, Spielfilme, und Hörspiele. Später sollen nicht-fiktionale Texte erfasst werden – etwa Zeitungs- und Rundfunkinterviews, Dokumentarfilme und Sachbücher. Aus den Ergebnissen möchte die Forscherin Qualitäts- und Bewertungskriterien für Dialogübersetzungen entwickeln.
In einem Teil dieses mehrjährigen Forschungsprojekts untersucht Nathalie Mälzer Comicübersetzungen. Im Oktober/November 2014 richtet sie an der Universität Hildesheim eine internationale Tagung zum Comicübersetzen aus – eine der ersten dieser Art in Deutschland.
Wissenschaftlich wurden Comics lange Zeit ausgegrenzt. Neulich habe sie in einer Staatsbibliothek recherchiert – ein wissenschaftliches Buch zur Erzähltheorie von Comics stand in der Abteilung Kinderbücher. Die Beschäftigung mit solchen Übersetzungen – etwa von einer in eine andere Sprache, vom Roman zur Graphic Novel, vom Comic zum Spielfilm oder zur Serie, vom Comic zum Hörspiel und Videospiel – stecke in den Kinderschuhen, sagt Mälzer.
Dabei könne man feststellen, dass nicht nur in den Fünfziger Jahren, als es kaum eine eigenständige Comicproduktion in Deutschland gab, stark einbürgernde, wenig am Original orientierte Übersetzungsweisen üblich waren, wie etwa die ersten Asterix-Übersetzungen im Kauka-Verlag zeigen. Bei Funnies wie „Spirou“ hat man noch heute den Eindruck, dass es an übersetzerischer Sorgfalt mangelt und unmotivierte Eingriffe ins Original vorgenommen werden.
Comics landen auf der Bühne und erzählen ernste Themen: Das deutsch-israelische Künstlerduo „half past selber schuld“ verarbeitet Comicvorlagen zu Theaterstücken, etwa die autobiografischen Geschichte „Barfuß durch Hiroshima“ des Manga-Zeichners Keiji Nakazawa. Oder Comics landen in der Politik: So werden Elemente des Sachcomics von Behörden, Parteien und politischen Institutionen genutzt, um Informationen in die Bevölkerung zu tragen, sagt Mälzer.
Im vergangenen Jahr hat zum Beispiel das sächsische Innenministerium eine Info-Broschüre in sechs Sprachen herausgegeben: „Erstorientierungshilfe für Asylbewerber“ und dabei Fließtext und Comicelemente vermischt, in der Hoffnung etwas Humor in die ernst Angelegenheit zu bringen.
Von Shakespeare über Homer bis Dante – auch Weltliteratur taucht in Kurzform auf. Verlage geben „Graphic Novels“ heraus, in Bildern erzählte Geschichten. „Mit dem Internet entstehen neue, intermediale Erzählformen, der Leser klickt sich durch Bilderfolgen – es schaltet sich Ton hinzu und starre Bilder verwandeln sich punktuell in animierte Filmsequenzen“, so Mälzer.
Entwicklungen im Bereich Webcomic – wie den jüngsten Seriencomic „Sechs aus 49“, der in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint – beobachtet die Forscherin ebenso wie deren spätere Printversionen.
Auf der Hildesheimer Tagung befassen sich Fachleute mit Adaptionen und Problemen bei der Übersetzung von Comics – etwa Platzbeschränkung durch Sprechblasen, Onomatopoesie und Schriftbilder. Es geht um Wortspiele, Reime, Humor und Komik. Es geht um spezielle Entwicklungen und Genres, etwa Sachcomics, „Funnies“ und „Mangas“ sowie Überarbeitungen für andere Zielgruppen (Erwachsene, Kinder).
Die Forscher betrachten die historische Entwicklung der Comic-Übersetzung in Deutschland und professionelle Rahmenbedingungen bei Comicübersetzungen, Vertragsgestaltungen und Verlagsvorgaben. Denn bisher wird die Leistung der Übersetzer selten gewürdigt.
Derzeit analysieren Studierende im gleichnamigen Seminar Comicübersetzungen in kleinen Einzelfallstudien, die sie auf der Tagung vorstellen. Zudem lernen sie Grundtechniken des Comic-Übersetzens und befassen sich in weiteren Seminaren mit Problemen bei der Übersetzung von Mündlichkeit und Dialogen.
Zur Person Nathalie Mälzer
Die Arbeitsschwerpunkte von Dr. Nathalie Mälzer liegen in den Bereichen Literaturübersetzen, Kulturtransfer und Übersetzung von Texten in audiovisuellen Medien. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft, Theater- und Filmwissenschaften an der FU in Berlin und der Sorbonne III in Paris promovierte die gebürtige Berlinerin an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2009 ist sie Mitarbeiterin am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim, seit 2012 Heyne-Juniorprofessorin für Transmediale Übersetzung. Sie übersetzt Romane, Sachbücher, Theaterstücke und Lyrik.
Seit 2011 Studiengang „Medientext und Medienübersetzung“
Seit 2011 lernen Studierende der Universität Hildesheim im Masterstudiengang „Medientext und Medienübersetzung“ den Umgang mit und die Bearbeitung von Medientexten in sehr unterschiedlichen Kontexten. Sie untertiteln Filme aus anderen Sprachen, üben sich im Synchronisieren, organisieren die mediengestützte Unternehmenskommunikation und bereiten Medienprodukte für Menschen mit Behinderungen auf.
Für Sehgeschädigte erstellen die Studierenden u.a. in Zusammenarbeit mit dem Bayrischen Rundfunk Audioeinführungen für Hörfilme und untertiteln Filme für Hörgeschädigte. Im Seminar „Barrierefreie Internetkommunikation“ bereiten die angehenden Medienübersetzer Websites auf.
Seit 2012 steht dafür ein Medientextlabor mit 40 Computerarbeitsplätzen, die mit moderner Software ausgestattet sind, zur Verfügung.
Comictagung in Hildesheim
„Übersetzungen und Adaptionen von Comics“
31. Oktober bis 2. November 2014
Universität Hildesheim
www.uni-hildesheim.de/comictagung
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Eine Publikation der Beiträge ist geplant. Auch die Übersetzerin der Asterix-Bände 1 bis 29, Gudrun Penndorf, wird auf der Konferenz sprechen.
Links zum Thema auf uepo.de
- 2012-05-30: “Eigentlich war es der reine Zufall” – Wie Gudrun Penndorf Asterix-Übersetzerin wurde
- 2012-02-27: Schwarzenbach baut Museum für Comic-Übersetzerin Erika Fuchs
- 2012-02-14: “Kann man Asterix übersetzen?” – “Ja, aber …”, meint Klaus Jöken
- 2011-09-18: 60 Jahre Micky-Maus-Übersetzungen: Wie Erika Fuchs eine eigene Sprache für die Mäusewelt schuf
- 2011-06-30: Marc-Oliver Frisch: “Kein Mensch bei klarem Verstand will Comic-Übersetzer werden”
- 2010-10-14: Lokalisierung in der Literaturübersetzung: Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte
- 2009-10-29: Asterix-Übersetzer Klaus Jöken: “Meine Lieblingsfigur ist Troubadix”
- 2009-10-28: “Das ist ja unübersetzbar!” Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf im Interview
Video
http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Comicuebersetzer,comicuebersetzer128.html
[Text: Uni Hildesheim. Quelle: Pressemitteilung Uni Hildesheim, 23.05.2014. Bild: EHAPA, Isa Lange/Uni Hildesheim, EHAPA.]