VdÜ-Honorarumfrage unter Literaturübersetzern: „Seitenhonorare real gesunken, Mindestsätze unterlaufen“

VdÜ-Honorarumfrage 2016
Monokultur statt Vielfalt: Nur die Literatur des englischsprachigen Auslands ist auf dem Markt für Buchübersetzungen ins Deutsche relevant. Alle anderen Sprachen fristen ein Nischendasein.

Im Frühjahr 2016 fand unter den Mitgliedern des Literaturübersetzerverbandes VdÜ die erste Honorarumfrage seit 15 Jahren statt. Diese bezieht sich auf Verlagsverträge im Jahr 2015. In einer Pressemitteilung schreibt der Verband zu den Ergebnissen:

Berücksichtigt und verwertet wurden 664 Vertragsmeldungen. Wenig überraschend: Über die Hälfte der gemeldeten Verträge wurde für Übersetzungen aus dem Englischen abgeschlossen (gefolgt von Französisch, Italienisch und Niederländisch), etwa die Hälfte aller Übersetzungen entstand im belletristischen Bereich (gefolgt von Sachbuch und Kinder- und Jugendbuch), und für gut die Hälfte wurde ein mittlerer Schwierigkeitsgrad angegeben.

 

Sehr unerfreulich ist vor allem die Entwicklung der Seitenhonorare: Es ergibt sich ein Durchschnittshonorar pro Normseite der Übersetzung von 18,81 Euro. Gegenüber dem Durchschnittswert des Jahres 2008 (Erhebung 2004-2008) von 17,83 ist das durchschnittliche Normseitenhonorar um 5,5 Prozent gestiegen. Das deckt bei weitem nicht die Inflationsrate, die zwischen 2007 und 2016 insgesamt 13,9 Prozent betrug.

 

Anne Emmert (Mitglieder der Honorarkommission des VdÜ und Initiatorin der Umfrage) zum Ergebnis: „Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Seitenhonorare sind real gesunken, und die vom Bundesgerichtshof festgelegten Mindestsätze für Absatz- und Lizenzbeteiligungen werden systematisch unterlaufen. Die 2014 vom VdÜ und mehreren Verlagen aufgestellten Gemeinsamen Vergütungsregeln haben sich branchenweit bislang nicht durchgesetzt. Die Ergebnisse der Umfrage belegen erneut, dass die Übersetzenden bei Vertragsverhandlungen insbesondere mit Konzernverlagen ihre Interessen nicht ausreichend durchsetzen können.“

 

Hinrich Schmidt-Henkel
Hinrich Schmidt-Henkel

Hinrich Schmidt-Henkel, 1. Vorsitzender des VdÜ fügt hinzu: „Unsere Honorarumfrage führt den politisch Verantwortlichen noch einmal konkret vor Augen, warum eine wirksame Novellierung des Urhebervertragsrechts dringend geboten ist, damit der Gesetzeszweck – Formulierung und Durchsetzung von angemessener Vergütung – erfüllt werden kann.“

Eine fünfzehnseitige, ausführliche Auswertung der Umfrageergebnisse mit zahlreichen Grafiken stellt der VdÜ als PDF-Datei zur Verfügung. Diese unterteilt sich in Abschnitte wie Sprachen, Schwierigkeitsgrad, Genres, Geschlecht der Übersetzenden, Berechnungsgrundlage für das Grundhonorar, Seitenhonorare für Verträge mit Seitenberechnung, Durchschnittswerte nach Sprachen, Seitenhonorare nach Geschlecht, Recherche- und Eilzuschläge, Absatzbeteiligungen.

Federführend bei der Umsetzung, Auswertung und Aufbereitung der Umfrage unter Verbandsmitgliedern waren Anne Emmert, Hildegard Höhr und Michael Schickenberg.

Weiterführende Links

[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung VdÜ, 2016-07-06. Bild: VdÜ.]

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