„Les Traducteurs“ – Literaturübersetzer Hauptfiguren in französischem Kino-Thriller

Les Traducteurs
Hermetisch abgeschlossen von der Außenwelt: Solche Arbeitssituationen gibt es bei Bestseller-Übersetzungen tatsächlich, zum Beispiel bei Autoren wie Dan Brown. Man beachte die Landesfähnchen auf den Tischen.

Am 29. Januar 2020 ist es soweit: Dann kommt ein Thriller in die (französischen) Kinos, in dem 15 Jahre nach Die Dolmetscherin mit Nicole Kidman (2005) endlich die schreibende Zunft unserer Berufsgruppe im Mittelpunkt steht.

In Les Traducteurs hat ein neunköpfiges Team aus Literaturübersetzern den Auftrag, unter strengster Geheimhaltung in einem Bunker den letzten Band eines Weltbestsellers zu übersetzen. Die Mobiltelefone werden ihnen abgenommen, der Zugang zum Internet gekappt.

Doch dann geschieht das Unfassbare: Die ersten zehn Seiten des Romans werden im Netz geleakt. Ein Erpresser droht damit, weitere 100 Seiten zu veröffentlichen, wenn man ihm nicht innerhalb von 24 Stunden eine gigantische Geldsumme zahlt.

Es beginnt eine fieberhafte Suche nach der undichten Stelle, die der Verleger unter den Übersetzern vermutet.

Keine Fiktion, sondern Alltag bei Bestseller-Übersetzungen

Ganz so abstrus, wie sie auf den ersten Blick erscheint, ist die dargestellte Arbeitssituation der Übersetzer nicht. Sie entspricht – etwas überzogen – dem Vorgehen, das seit mindestens einem Jahrzehnt bei geplanten Bestsellern zunehmend üblich ist.

Aus Marketing-Gründen werden sichere Geldbringer auf den wichtigsten Märkten gleichzeitig veröffentlicht. Deshalb müssen sie unter enormem Zeitdruck und strengster Geheimhaltung übersetzt werden.

Les Traducteurs
Welcher Übersetzer kennt das nicht? Erst feiert man die Auftragserteilung, …
Les Traducteurs
… dann rauft man sich die Haare und ist der Verzeiflung nahe.

Bereits 2009 staunte die Fachöffentlichkeit nicht schlecht, als über die Feuilletons bekannt wurde, wie Dan-Brown-Bestseller übersetzt werden:

Für die Übersetzung ins Deutsche wurden die typischerweise 600 Seiten dicken Wälzer des amerikanischen Unterhaltungsschriftstellers auf sechs Übersetzer aufgeteilt. Der Titel Das verlorene Symbol wurde auf diese Weise in nur 10 Tagen übersetzt. Einschließlich Lektorat, Satz und Druck nahm die gesamte Buchproduktion nur einen Monat in Anspruch.

2012 durften die Übersetzerinnen eines Romans von Joanne K. Rowling (Susanne Aeckerle und Marion Balkenhol) nur vor Ort in London an angeketteten Laptops arbeiten.

Vollends zur Übersetzerhölle wurde 2013 die Übertragung von Dan Browns Inferno in fünf Sprachen. UEPO.de schrieb damals unter der Überschrift „Im Bunker von Mondadori“:

Von Mitte Februar bis Anfang April 2013 leisteten die 11 Literaturübersetzer täglich Akkordarbeit – im Keller des futuristischen Verlagsgebäudes von Mondadori vor den Toren Mailands [darunter die deutschen Übersetzer Axel Merz und Rainer Schumacher].

Jeden Morgen wurden die Sprachsklaven in ihren Hotels abgeholt und abends wieder zurückgefahren. Bewaffnete Wachleute holten die englischen Originalmanuskripte von „Inferno“ jeden Morgen aus einem Tresorraum und schlossen sie abends wieder weg.

Die Übersetzer arbeiteten an auf den Tischen festgeschraubten Laptops. Mobiltelefone waren verboten, einen Internet-Zugang gab es nur an einem gesonderten, beaufsichtigten Arbeitsplatz.

Außerhalb ihres Verlieses durften die Übersetzer nur die Cafeteria und die Kantine von Mondadori betreten. Es war ihnen verboten, anderen Verlagsmitarbeitern mitzuteilen, was sie im Gebäude machten.

Genau dieses Setting diente offenbar als Vorlage für den Thriller Les Traducteurs. Regie führte Régis Roinsard, der auch am Drehbuch beteiligt war. Zu den Hauptdarstellern gehören u. a. Lambert Wilson, Frédéric Chau, Olga Kurylenko und Maria Leite.

Durch die internationale Besetzung der Übersetzer-Rollen (darunter die deutsche Schauspielerin Anna Maria Sturm) müsste sich der Film eigentlich auch außerhalb Frankreichs gut vermarkten lassen. Hoffen wir, dass er bald auch in die deutschen Kinos kommt.

Les Traducteurs
Der Verleger, gespielt von Lambert Wilson, ist außer sich. Er vermutet den Verräter unter den Übersetzern …
Les Traducteurs
… und vergewissert sich, dass keiner der Literaturübersetzer „verkabelt“ ist.

Wann kommt der Film in die deutschsprachigen Kinos?

Nachtrag Februar 2020:

Von November 2019 bis März 2020 ist der Film in vielen Ländern bereits angelaufen. Darunter befinden sich nicht nur die französischsprachigen, sondern auch Tschechien, Polen, Russland, die Ukraine, Griechenland, Portugal, Ungarn und selbst Japan. Es gibt nach wie vor jedoch keine Hinweise auf einen Kinostart in den deutschsprachigen Ländern.

UEPO.de hat deshalb in Frankreich bei der Wild Bunch AG nachgefragt, die für den internationalen Vertrieb zuständig ist. Am 5. Februar 2020 erhielten wir folgende Antwort:

Cher Monsieur,
Je suis en charge des ventes sur l’Allemagne et suite à votre mail je vous informe que je suis actuellement en négociations avec un distributeur allemand.
J’espère que la vente sera finalisée sous peu et qu’une date de sortie en salles sera fixée rapidement.
Cordialement,
Silvia Simonutti

Wir müssen uns also noch etwas gedulden, da die Verhandlungen mit einem deutschen Filmverleih noch laufen.

Nachtrag Sommer/Herbst 2020:

Die Verhandlungen mit einem deutschen Filmverleih haben sich angesichts der grassierenden Corona-Pandemie zerschlagen. Eine Synchronisation für die deutschsprachigen Länder rückt daher in weite Ferne.

In der Schweiz lief immerhin eine deutsch untertitelte Originalfassung in den Lichtspielhäusern, die 1.056 Zuschauer sahen. In der französischsprachigen Schweiz war der Zulauf deutlich größer. Dort lösten 6.840 Zuschauer eine Kinokarte (Quelle: ProCinema Schweiz).

Inzwischen ist bereits die Verwertung auf DVD angelaufen. Alle an dem Film Interessierten sollten sich diese online bestellen. Denn ohne Synchronisierung wird der Streifen kaum je ins deutsche Fernsehen kommen.

Plakat "Das Rätsel"
Plakat der im Juni 2023 in ausgewählten deutschen Programmkinos anlaufenden Fassung. Bild: Filmagentur 24 Bilder

Nachtrag Mai 2023:

Nun kommt der Thriller unter dem nichtssagenden Titel Das Rätsel doch noch synchronisiert in die deutschen Kinos, von denen einige den Streifen auch in französischer Originalfassung mit deutschen Untertiteln zeigen.

Zum Start am 1. Juni 2023 ist der Film in folgenden Städten zu sehen: Berlin (Sputnik-Kino in Kreuzberg, City-Kino im Wedding), Chemnitz (Clubkino Siegmar), Dortmund (Lichtspiel- und Kunsttheater Schauburg), Dresden (Zentralkino), Duisburg (filmforum), Düsseldorf (Atelier), Fürstenwalde (Filmtheater Union), Halle (Saale) (Luchs-Kino am Zoo), Hamburg (Koralle-Kino), Hillesheim (Eifel-Film-Bühne, ab 23.6.), Köln (Cinenova Ehrenfeld), Konstanz (Zebra Kommunales Kino Konstanz), Mannheim (Atlantis), Münster (Schlosstheater), Oldenburg (Casablanca), Pforzheim (Kommunales Kino), Rostock (li.wu. im Metropol), Soest (Universum).

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Richard Schneider
Bildmaterial: Magali Bragard, Standfotografin für Trésor Films

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