40 Jahre Hildesheimer Übersetzungsstudiengänge: Technik, Medien, barrierefreie Kommunikation

Bettina Lange und Studentinnen
Prof. Dr. Bettina Lange mit zwei Studentinnen auf dem Campus in Hildesheim. - Bild: Isa Lange / Uni Hildesheim

Das Übersetzerstudium an der Universität Hildesheim kann 2020 sein vierzigjähriges Bestehen feiern.

„Unser gesamter globalisierter Alltag ist stark durchdrungen von Übersetzungen, selbst wenn es uns häufig gar nicht mehr auffällt: im Kino laufen viele Hollywoodfilme – fast immer als Synchronisation. Im Supermarkt sind viele Produkte importiert, und die Inhaltsangaben und Rezeptvorschläge auf der Verpackung sind häufig Übersetzungen, ebenso die Bedienungsanleitungen unserer Smartphones, Musikanlagen, Autos, Möbel und Kleidung“, sagt Professorin Bettina Kluge über die Leistung von Übersetzern in unserer heutigen Gesellschaft. Kluge forscht und lehrt am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation.

Am Bühler-Campus in Hildesheim bildet die Universität Übersetzer zum Beispiel im Bachelorstudiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ aus. Die Studierenden lernen etwa, Filme, Literatur und technische Benutzerhandbücher sowie Bedienungsanleitungen zu übersetzen.

Zum Studium gehört ein Auslandsaufenthalt. „Nach einem Jahr schicken wir den gesamten Jahrgang ins Ausland. Die Studenten bekommen so ein noch besseres Gefühl für die Sprache, und ebenso für die Kultur des Gastlandes. Zudem erweitern sie ihren Wortschatz im Alltag enorm“, so Kluge.

Die Universität kooperiert mit Partnerhochschulen, zum Beispiel in Alicante, Madrid, Murcia und Barcelona in Spanien, in Paris, Clermont-Ferrand, Pau und Tours in Frankreich sowie in Irland, Finnland, Belgien, in der Türkei, Indien, Kolumbien und Mexiko.

„Übersetzer werden auch in Zukunft gebraucht“

Hat die Dozentin Sorge, dass die Arbeit von Übersetzern eines Tages von Maschinen übernommen wird?

„Übersetzer werden auch in Zukunft gebraucht“, sagt Bettina Kluge. „Zwar werden die Resultate maschineller Übersetzungen immer besser, aber menschliche Übersetzer berücksichtigen stärker den Kontext, in dem ein Wort auftaucht, inklusive Groß- und Kleinschreibung. Viele Übersetzungsprogramme tun das immer noch nicht“, so Kluge.

Auch Humor und Ironie würden von Übersetzungsprogrammen oft nicht erkannt – gerade deswegen werde die audiovisuelle Übersetzung von Spielfilmen wohl noch lange ein Arbeitsfeld für menschliche Übersetzer sein, wenn auch mit maschineller Unterstützung.

Hildesheim, Bühler Campus
Die Einrichtungen für die Übersetzungsstudiengänge befinden sich auf dem Bühler-Campus der Universität Hildesheim.

Diplomstudiengang „Fachübersetzen Technik“ startete 1979/80

Begonnen hat die Hildesheimer Übersetzungswissenschaft vor 40 Jahren im Wintersemester 1979/80 mit dem Diplomstudiengang „Fachübersetzen Technik“, der später umbenannt wurde in „Internationale Fachkommunikation“.

Ende der 1990er Jahre wurde aus dem Diplomstudiengang der Bachelorstudiengang „Internationale Kommunikation und Übersetzen“ (IKÜ, angelaufen im Wintersemester 1999/2000) sowie der Masterstudiengang „Internationale Fachkommunikation – Sprachen und Technik“ (SuT, angelaufen im Wintersemester 2001/2002).

„Wir waren deutschlandweit der erste übersetzungswissenschaftliche Studiengang, der auf das Bachelor-Master-System umstellte, akkreditiert im Jahr 2000“, so Bettina Kluge.

Über 2.000 Absolventen sind bundesweit tätig

Gerald Kreißl
Gerald Kreißl

Über 2.000 Absolventen haben in den vergangenen Jahren die Universität Hildesheim verlassen und sind heute deutschlandweit in der Übersetzungsbranche tätig.

„Wir haben von Anfang an immer in engem Kontakt zur Berufspraxis und zu unseren Absolventen gestanden und versucht, neue Erkenntnisse in unser Curriculum einfließen zu lassen“, sagt Gerald Kreißl über den Wandel des Übersetzerstudiums. Kreißl war seit 1982 an der Universität Hildesheim in der Übersetzungswissenschaft als Dozent tätig und ist Ende November 2019 in Rente gegangen.

Das Besondere in Hildesheim ist die Verzahnung der Studiengänge mit Technik

Das Besondere an der Hildesheimer Übersetzungswissenschaft beschreibt Professorin Bettina Kluge so: „Lange Jahre war die Verbindung von Fachübersetzen mit Technik einmalig. Unsere Studierenden mussten nicht nur wie an anderen Standorten einige wenige Lehrveranstaltungen Technik besuchen, sondern erwarben ein sehr vertieftes technisches Verständnis. Der Anteil von Technikveranstaltungen am Stundenplan ist vor allem im Masterstudium ‚Internationale Fachkommunikation – Sprachen und Technik‘ noch immer sehr ausgeprägt. Unsere Absolventen verstehen daher die technische Seite sehr gut und können insofern zum Beispiel Fehler in zu übersetzenden Bedienungsanleitungen erkennen und beheben. Sie verbinden das technische Grundverständnis mit dem Gefühl für Sprachen.“

Weitere Schwerpunkte Medienübersetzung und barrierefreie Kommunikation

Seit Anfang der 2010er Jahre hat die Universität Hildesheim ihr Angebot in den Übersetzungswissenschaften erweitert, etwa mit dem Masterstudiengang „Medientext und Medienübersetzung“, dem bundesweit ersten Studiengang, der das audiovisuelle Übersetzen im Fokus hat.

Ein weiteres Hildesheimer Alleinstellungsmerkmal ist der Masterstudiengang „Barrierefreie Kommunikation“ (seit dem Wintersemester 2018/19), der erste seiner Art in Deutschland.

Medientextlabor Uni Hildesheim
Isabel Rink und Katharina Berg studieren „Medientext und Medienübersetzung“. Im Medientextlabor der Universität Hildesheim lernen Studierende an 40 Computerarbeitsplätzen, die mit moderner Software ausgestattet sind, Filme zu untertiteln und Medien zu übersetzen. Sie üben das Synchronisieren, bereiten Internetseiten für Menschen mit Behinderungen auf. Für Sehgeschädigte erstellen sie Audioeinführungen für Hörfilme. Für Hörgeschädigte bereiten sie Texte in „Leichter Sprache“ auf (Bild: Isa Lange).

Feierstunde und Podiumsdiskussion zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Übersetzungsstudiengänge

Aus Anlass des Jubiläums fand am 24. Januar 2020 in der Aula am Bühler-Campus der Universität eine Feierstunde mit Podiumsdiskussion statt. Grußworte sprachen unter anderem Universitätspräsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich und Prodekan Professor Stephan Schlickau.

Anschließend fanden verschiedene Workshops statt, von einer Einführung in MemSource über die Übersetzung von Humor, Höflichkeitsformen sowie Kulturspezifika bis zu kurzen Einführungen in das Untertiteln und Synchronisieren. Parallel informierte die Universität über die übersetzungswissenschaftlichen Studiengänge. Studieninteressierte konnten sich informieren und ihre Fragen stellen.

Zudem stellten langjährige Kooperationspartner ihre Arbeit vor, unter anderem der NDR, die Übertitelungsfirma Panthea sowie die Berufsverbände BDÜ und ADÜ Nord.

Abschließend lud die Universität Hildesheim zu einer Diskussion über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Übersetzungsstudiengänge ein. Diese erleben zurzeit einen großen Umbruch, nicht zuletzt durch die maschinelle Übersetzung und eine zunehmend arbeitsteilige, eng vernetzte Arbeitsweise. Die Diskussion wurde moderiert von Professor Klaus Schubert. Es diskutierten Studierende, Absolventen und Jean Nitzke, die derzeit als Vertretungsprofessorin in Hildesheim lehrt und forscht.

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[Text: Isa Lange / Universität Hildesheim.]