Kunst und Wissenschaft der Komödienübersetzung: Reflexionen – Beispiele – Erfahrungen

Uni-Bühne: Die gelehrten Frauen
Plakatfoto der Uni-Bühne Germersheim zu Molières „Die gelehrten Frauen“ im Juni 2016 (Text und Regie: R. Kohlmayer) mit Mara Schmiedinghoff, Kristin Strauß, Andreas Bünger und Nadine Reichle. - Bild: Jonas Seiler

Er gründete die Uni-Bühne in Germersheim, inszenierte eigene und von ihm selbst übersetzte Stücke, besonders Komödien von Corneille, Molière, Labiche und Oscar Wilde. Wer wäre geeigneter als Rainer Kohlmayer, das erste Werkstattseminar zur Theorie und Praxis des Dramenübersetzens in Buchform zu veröffentlichen?

Der soeben im Verlag Peter Lang herausgekommene Band Kunst und Wissenschaft der Komödienübersetzung bietet zunächst einen kritischen Überblick über das Feld der literarischen Übersetzung und behandelt dann Einzelprobleme am Beispiel von Corneille, Molière und Labiche, u. a. das Deutsche als Übersetzungssprache, die Figurensprache, die Empathie, die Aktualisierung, das Lachtheater Labiches.

Enthalten ist auch ein Erfahrungsbericht über den Weg vom Text zur Inszenierung (u. a. von Tartuffe und Bunbury). Alle Beispiele stammen aus der Praxis des Verfassers.

Der Band schließt mit Stellungnahmen Jürgen von Stackelbergs zu den Übersetzungen Rainer Kohlmayers und einem Interview mit dem Verfasser. Ein Buch für die Übersetzungs- und Theaterpraxis.

Über sein jüngstes Werk schreibt Kohlmayer an UEPO.de:

Kunst und Wissenschaft der KomödienübersetzungIch bin ein letztes Mal „wissenschaftlich“ rückfällig geworden und habe meine übersetzungswissenschaftliche ‚Pentalogie‘ mit dem 5. Band jetzt beendet (2017-2018-2019-2020-2021). In der Reihenfolge steckt eine gewisse Logik, der innere Zusammenhang ist immer die Verbindung von Theorie und Praxis, wobei sich der jetzige, letzte Band ausschließlich auf meine eigene Übersetzungspraxis als Theaterübersetzer bezieht.

Ich glaube, es ist das erste Buch, in dem ein Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler so transparent Farbe bekennt und über seine Arbeit berichtet, ohne die Misserfolge auszuklammern. Es ist auch ein Versuch, die spezifische Mischung von Kunst und Wissenschaft im Literaturübersetzen herauszuarbeiten, was gegenwärtig in Theorie und Praxis etwas unterbelichtet ist.

Uni-Bühne Germersheim
Der Autor als Regisseur im Kreis der studentischen Schauspieltruppe nach der Aufführung von „Salto Vitale“ (2013) mit Paul Tido, Carlo Accorinti, Christian Degel, Ina Wittkowski, Katharina vom Endt, Mario Balaz, Kamila Gagola.

Inhaltsverzeichnis

Über das Buch
Vorwort

1. Kapitel: Dramenübersetzung als gelehrte Kunst. Ein Überblick

1 Dramenübersetzung heute: Ein Bild mit vielen Unschärfen
2 Authentizität
3 Die deutschsprachige Theaterlandschaft
4 Besonderheiten des Dramenübersetzens
5 Kritischer Rundblick
6 Die Hybridität des Literaturübersetzens
7 Fach- und Literaturübersetzen im Vergleich
8 Posthumane Empathie: Vom Autor zum Auto?

2. Kapitel: Die Elastizität der deutschen Sprache

1 Rhetorisches Übersetzen (I): Mediale Grundlagen
1.1 Die Programmierung von Mündlichkeit durch Schrift
1.2 Die Stimme im Text als tertium comparationis beim Übersetzen
1.3 Die Mehrstimmigkeit von Texten

2 Widerlegung von Vorurteilen
2.1 ‚Das Versdrama verhindert die Individualisierung‘
2.2 ‚Das Deutsche ist ungeeignet für den Alexandriner‘
2.3 ‚Der Alexandriner passt nicht zur deutschen Theaterkonvention‘

3 Ein Beispiel für moderne Alexandrinerversionen im Deutschen und Englischen

4 Zusammenfassung und Übersetzungskonzeption

3. Kapitel: Die übersetzerische Empathie. Vom Vergnügen, Molières Frauen Deutsch sprechen zu hören

1 Zum Verhältnis von Theorie und Empirie beim Literaturübersetzen
2 Rhetorisches Übersetzen (II): Empathie und Figurensprache
3 Molières Komödien und Frauenfiguren als kulturelle Importartikel
4 Agnès in Die Schule der Frauen (1662) oder die Emanzipation des Opferlämmchens

5 Exkurs: „Stimmenvergleich“: Agnès im Original und in sechs Versübersetzungen
5.1 Molière (1971): L’école des femmes, Vers 1553-1559
5.2 Rudolf Alexander Schröder (1958: 454f.)
5.3 Hans Weigel (1964: 93f.)
5.4 Monika Fahrenbach-Wachendorff (1982: 60f.)
5.5 Simon Werle (1999: 67)
5.6 Maya Slater (2001: 62)
5.7 Rainer Kohlmayer (2009: 75)

6 Dorine in Tartuffe (1664) oder die praktizierende Emanze …
7 Célimène im Menschenfeind (1666) oder die Männersammlerin
8 Philaminte und Armande in Die gelehrten Frauen (1672) oder die gelehrten Emanzen
9 Kritischer Rückblick: Empathie – Vergnügen – Evidenz

4. Kapitel: Die Entdeckung der charmanten Emanzen in den Komödien des jungen Pierre Corneille

1 Pierre Corneilles Jugendkomödien und die „love revolution“
2 Rhetorisches Übersetzen (III): Entdeckung von Zeitgenossen
3 Die Frauenfiguren in Mélite ou Les fausses lettres
3.1 Transgression und Selbstzensur
3.2 Zum Inhalt von Mélite
3.3 Ernsthaftigkeit und Wankelmut in der Liebe
3.4 Die schöne Mélite: Liebe und Geld, Schönheit und Macht
3.5 Die starke Cloris: Erotik und Realismus
3.6 Autobiographisches in Mélite
4 Schlusswort

5. Kapitel: Labiches serielles Lachtheater. Werkstattnotizen des Übersetzers

1 Labiches Tempo
2 Labiches Sprache
3 Labiches Komik
4 Frauenbild und Kampf ums Überleben
5 Beispiele: Acht Komödien von Labiche, für die Bühne übersetzt von Rainer Kohlmayer
5.1 Frisette. Vaudeville-Komödie in einem Akt
5.2 Edgar und sein Dienstmädchen. Komödie in einem Akt mit Couplets
5.3 Meine Tochter gehört mir! Komödie in einem Akt mit Couplets
5.4 Die Affäre in der Rue de Lourcine. Komödie in einem Akt mit Couplets
5.5 An den Nagel gehängt! Vaudeville-Komödie mit Liedern in einem Akt
5.6 In der eigenen Falle. Komödie in einem Akt mit Gesangseinlagen
5.7 Eine lockere Hand. Komödie in einem Akt
5.8 Peinliches Manko. Komödie in einem Akt
6 Schluss: Übersetzung als Aktualisierung

6. Kapitel: Vom Kopftheater auf die Bühne. Der Übersetzer als Zuschauer

1 Produktion und Rezeption
2 Bunbury (Oscar Wilde)
3 Ein idealer Gatte (Oscar Wilde)
4 Der extravagante Liebhaber (Corneille)
5 Tartuffe (Molière)
6 Was man im Theater erleben und lernen kann. Eine Bilanz

7. Kapitel: Drei Rezensionen von Jürgen von Stackelberg

1 „Ist Paris nicht schön?“ – Corneilles Menteur, übersetzt von Goethe und von Rainer Kohlmayer
2 Endlich ein Molière für die Bühne! Rainer Kohlmayers deutscher Tartuffe
3 Zu Kohlmayers Menschenfeind

8. Kapitel: Interview zum Menschenfeind, Lüneburg 2015

Übersetzungen, Bearbeitungen, Theatertexte von Rainer Kohlmayer

Literaturverzeichnis

Register

Über den Autor

Rainer Kohlmayer
Rainer Kohlmayer

Rainer Kohlmayer war außerplanmäßiger Professor an der Universität Mainz. Er habilitierte dort in Interkultureller Germanistik und lehrte am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) in Germersheim bis 2013 Sprach- und Übersetzungswissenschaft.

Bibliografische Angaben

  • Rainer Kohlmayer (2021): Kunst und Wissenschaft der Komödienübersetzung: Reflexionen – Beispiele – Erfahrungen. Berlin: Peter Lang. 210 Seiten, 44,95 Euro, ISBN: 978-3-631-84250-8, E-Book: 978-3-631-84470-0. Auf Amazon ansehen/bestellen.

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