Wieland-Übersetzerpreis geht an Bernd Schuh und Monika Niehaus für Sachbuchübersetzung

Bernd Schuh, Monika Niehaus
Bernd Schuh und Monika Niehaus - Bild: Corinna Schmidt, Christian von Ditfurth

Der Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis geht 2021 an Bernd Schuh und Monika Niehaus für ihre Übersetzung von Philip Ordings 99 Variations of a Proof, wie der VdÜ mitteilt. Auf Deutsch ist das Werk im Carl Hanser Verlag unter dem Titel 99 Variationen eines Beweises – Spielarten der Mathematik erschienen.

Der mit 12.000 Euro dotierte Wieland-Preis wird alle zwei Jahre vom Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen vergeben, jedes Mal für ein anderes Literaturgenre.

In diesem Jahr wurde er erstmals für die herausragende Übersetzung eines wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Sachbuchs ausgeschrieben. Kinder- und Jugendsachbücher waren davon ausgenommen, da der Preis bereits vor zwei Jahren speziell für Kinderbücher vergeben wurde.

„Begeisterung für die Schönheit der Mathematik“

Der fünfköpfigen Jury gehörten Christine Ammann, Maria Meinel und Thomas Weiler als Vertreter der Übersetzerzunft an, ergänzt um den Germanisten Dieter Martin und die Kulturredakteurin der Badischen Zeitung Bettina Schulte. Zur Entscheidung für Schuh und Niehaus heißt es:

Das Werk des US-amerikanischen Mathematikprofessors ist kein klassisches Sachbuch. Es ist eine Grenzüberschreitung in mehrfacher Hinsicht. Angeregt von den Stilübungen Raymond Queneaus dekliniert der Autor eine kubische Gleichung in immer neuen, sämtliche Register möglicher (Be-)Schreibungen ziehenden Stilvarianten durch und beweist damit nicht nur vielfach ihre Gültigkeit, sondern ein ums andere Mal, dass es auch in der vermeintlich abstrakten Strenge der ars mathematica an expressiven und imaginativen Möglichkeiten kein Ende haben kann. In jeweils nachgeordneten Texten werden die Beweise eingeordnet, kommentiert und auf ihre stilistischen Besonderheiten hin befragt.

Monika Niehaus und Bernd Schuh mussten nicht allein Sachverstand, Recherchearbeit und sprachliche Versiertheit in die Waagschale werfen – das unerlässliche Handwerkszeug bei aller Sachbuchübersetzerei –, sondern sich neben der Vielzahl vermittelter Sachgebiete und Theorien auch der gesamten sprachschöpferischen Klaviatur bedienen, Knittelverse nachdichten, sich auf Einsilber beschränken, die „Paranoia“ einer Vorlage auf den deutschen Referenztext umschmieden, formelfromme Fachsprachen genauso souverän abbilden wie kryptische Tweets, chromatische Illustrationen, ein imaginiertes Drehbuch oder kruden akademischen Kaffeepausensprech.

Nicht zuletzt haben Niehaus und Schuh sogar eigene Beweise erfunden, wo sich das Verfahren des Originals nicht in die deutsche Sprache transferieren ließ – und damit ihrerseits die Grenzen „klassischen“ Übersetzens spielerisch überschritten. Dass sich die Kombination aus Verspieltheit und Akkuratesse, die Christoph Martin Wieland gewiss zugesagt hätte, und die Begeisterung für die Schönheit der Mathematik in all ihren Spielarten auch in der deutschen Übersetzung umstandslos vermittelt, ist das große Verdienst von Monika Niehaus und Bernd Schuh.

Christoph Martin Wieland
Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern der Aufklärung. – Bild: Gemälde von Ferdinand Jagemann aus dem Jahr 1805, gemeinfrei

Die Auszeichnung wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg finanziert und würdigt neben einer herausragenden Übersetzung auch das übersetzerische Lebenswerk.

Die Preisverleihung soll am 29. September 2021 unter der Regie der Christoph-Martin-Wieland-Stiftung in Biberach an der Riß stattfinden, der Heimatstadt des Namenspatrons.

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VdÜ, rs