Gudrun Penndorf ist bei der Vergabe des aus sieben Kategorien bestehenden Deutschen Jugendliteraturpreises mit einem Sonderpreis für ihr übersetzerisches Gesamtwerk geehrt worden. Die mit einem Preisgeld von 12.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde damit erstmals an eine auf Comics spezialisierte Literaturübersetzerin vergeben.
Penndorf hat sich vor allem durch ihre Übersetzung der Asterix-Bände 1 bis 29 einen Namen gemacht, die in Deutschland in den Jahren 1968 bis 1991 erschienen sind. Darüber hinaus übertrug sie aber auch zahlreiche Bände der Reihen Isnogud und Lucky Luke ins Deutsche sowie mehr als 200 von Disneys Lustigen Taschenbüchern.
Die Preisübergabe erfolgte im Rahmen der Frankfurter Buchmesse wie immer im Saal „Harmonie“ des der Messe angeschlossenen Kongresszentrums. Die Reihen des mehr als 2.000 Zuschauer fassenden Auditoriums waren pandemiebedingt nur mit 230 Gästen besetzt, aber die Veranstaltung wurde für alle Interessierten direkt im Netz übertragen.
Meistgelesene Übersetzerin der Nachkriegszeit
Aus der Begründung der Jury:
„Die spinnen, die Römer!“ – Wissen Sie, wem wir diesen Spruch, den vielleicht berühmtesten der Nachkriegsliteratur, verdanken? Sagen wir es so: Die richtige Antwort lautet weder „Obelix“ noch „René Goscinny“. Aus deren eher konventionellem „Ils sont fous, ces Romains“ hat erst Gudrun Penndorf, Goscinnys kongeniale deutsche Übersetzerin, diesen perfekten, fast schon lautmalerisch das energische Vogelzeigen nachahmenden Parallelismus gemacht. Im französischen Original geht da doch einiges verloren.
Gudrun Penndorfs phänomenale sprachschöpferische Leistung, insbesondere der Übertragungen von Asterix und Lucky Luke in den Jahren 1968 bis 1991, kann gar nicht genug gepriesen werden. Es sind nicht nur die ikonischen Übersetzungen von Begriffen und Sprüchen – auch ihre kreativen Umbenennungen des Comicpersonals, ihr akribischer Rechercheeifer, ihre treffenden Wortspiele sowie der geniale Umgang mit den diversen Sprachebenen ihrer Vorlagen setzen bis heute Maßstäbe für das Übersetzen – nicht nur von Comics.
Dass Gudrun Penndorfs Übersetzungen trotz alldem kaum als solche gewürdigt worden sind, lässt eine Lücke in der deutschen Literaturgeschichte klaffen. Eine Lücke, die wir mit diesem Preis nur zu gerne schließen. Denn selbstverständlich sind Comics Literatur. Und selbstverständlich gehört Gudrun Penndorf in die Reihe der bedeutendsten deutschsprachigen Übersetzerinnen und Übersetzer der Nachkriegszeit.
Felix Pütter hielt als Vorsitzender der dreiköpfigen Jury des Sonderpreises Übersetzung die Laudatio. Er wies darauf hin, dass Penndorf im deutschen Sprachraum die meistgelesene Übersetzerin der Nachkriegszeit sei – mit einer neunstelligen Gesamtauflage. Tatsächlich beläuft sich die Gesamtauflage der deutschsprachigen Asterix-Ausgaben auf 370.000.000 (Stand 2018). Die meisten wurden von Penndorf übersetzt.
Obwohl diese Übersetzungen teils mehr als 50 Jahre alt sind, seien sie nach wie vor „frisch und lebendig“, so Pütter. Eine Neuübersetzung sei deshalb nicht erforderlich.
Das mag auch daran liegen, dass die französischen Auftraggeber die Übersetzer dazu anhielten, keine kurzlebigen Ausdrücke aus der Umgangs- oder Jugendsprache zu verwenden, wie Gudrun Penndorf anmerkte. Denn schon simple Ausdrücke wie Jogging seien oft für die nächste Lesergeneration nicht mehr verständlich. (In den 1970er Jahren wurde das Joggen noch als Dauerlauf bezeichnet. Ein Ausdruck, mit dem heute kaum noch jemand etwas anfangen kann.)
Aufwertung der Textsorte Comic
Im Gespräch auf der Bühne erklärte Penndorf, dass der Jugendliteraturpreis für sie eine ebensolche Überraschung gewesen sei wie das Bundesverdienstkreuz im vergangenen Jahr. Sie habe mit beidem nicht gerechnet.
Neben der persönlichen Ehrung werte sie diese Preise auch als Aufwertung der multimedialen Textsorte Comic.
Bibliografie Gudrun Penndorf
Die folgenden Werke stellen eine vom Deutschen Jugendliteraturpreis zusammengestellte Auswahlbibliografie dar.
- Lustiges Taschenbuch (ca. 200 Bände, 1966-1994)
Mit den Lustigen Taschenbüchern fing alles an. 1966 begann Gudrun Penndorf, für den Ehapa Verlag die berühmten Donald-Duck-Comics aus dem Italienischen (weil die Europa-Rechte bei Mondadori in Italien lagen) ins Deutsche zu übertragen. Ihr erster Schritt in die übersetzerische Selbständigkeit führte sie somit direkt an die Seite der Grande Dame der deutschen Comic-Übersetzungskunst, Erika Fuchs. „Kindchen, das schaffen Sie mit links“, ermutigte Fuchs die damals knapp dreißigjährige Übersetzerin. Unter Fuchsʼ Ägide erlernte Penndorf die Kunst der Onomatopöien und Inflektive – fast 200 Lustige Taschenbücher rund um Familie Duck, die Panzerknacker & Co. sollten folgen. - Asterix (29 Bände, 1968-1991)
1968 gelang es Penndorf, René Goscinny während eines Parisaufenthaltes davon zu überzeugen, dass sie die Richtige dafür war, seinen Asterix mit über den Rhein zu nehmen. In den folgenden 23 Jahren wurde sie zu seiner deutschen Stimme.
Von Anfang an arbeitete sie daran, den Humor der eigenwilligen Gallier so ins Deutsche zu überführen, dass – ebenso wie im Original – alle Stilebenen zur Geltung kamen. Penndorfs kongeniale Kreativität, die Prägnanz ihrer Sprache („Die spinnen, die Römer!“), der Wortwitz, die ambitionierte Abbildung verschiedener Sprachen und Sprachebenen sowie die Ernsthaftigkeit, mit der sie jeder historischen und zeitgenössischen Referenz nachging, setzen bis heute Maßstäbe. Nicht zufällig bedürfen selbst die ältesten ihrer Übersetzungen bis heute keiner Neufassung, sondern lesen sich so frisch und ungekünstelt wie vor 50 Jahren.
- Isnogud (11 Bände, 1974-1994)
Obwohl Penndorf die Isnogud-Bände von Goscinny und Zeichner Jean Tabary als „Herzenskind“ bezeichnet hat, haben sie in Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich – kein großes Publikum gefunden. Dabei halten die Bände um den „bitterbösen“ Großwesir Isnogud, der „Kalif anstelle des Kalifen“ werden will, geradezu aberwitzige Wortspielkaskaden bereit, die die deutsche Übersetzerin immer wieder zu Höchstleistungen brachten. - Lucky Luke (ca. 60 Bände, 1977-1994)
Im Jahr 1977 fielen auch die Lizenzen für René Goscinnys dritte Erfolgsreihe Lucky Luke an den Egmont Ehapa Verlag (den einzigen Verlag, für den Gudrun Penndorf je literarisch tätig war). Die Erfahrungen, die sie bei Asterix und Isnogud gesammelt hatte, prädestinierten sie für dieses Projekt. Den verschmitzten Protagonisten, der „schneller zieht als sein Schatten“ lotste Penndorf mit höchster sprachlicher Sensibilität durch die multikulturelle Männerwelt des Wilden Westens.
Die Jury des Sonderpreises Übersetzung
Der Jugendliteraturpreis hat drei Jurys: die Kritikerjury, die Jugendjury und die Sonderpreisjury. Der Sonderpreis wird seit 1991 im jährlichen Wechsel an deutsche Autoren, Illustratoren und Übersetzer verliehen – 2021 ist die Übersetzung an der Reihe. Seit 2017 vergibt die Jury neben dem Sonderpreis für das „Gesamtwerk“ auch den Sonderpreis „Neue Talente“. Die Experten der Sonderpreisjury sind jeweils für ein Jahr tätig. Im Jahr 2021 waren dies:
- Felix Pütter (Vorsitz) hat den Studiengang Literaturübersetzen an der Universität Düsseldorf absolviert. Im Jahr 2018 gründete er TraLaLit, ein Online-Magazin für übersetzte Literatur, für das er seither den Jugendliteraturbereich betreut.
- Mahmoud Hassanein wurde in Kairo geboren, studierte dort Germanistik und Arabistik sowie anschließend Translationswissenschaft an der Universität Mainz (FTSK Germersheim), wo er heute als Dozent tätig ist. Er übersetzt deutschsprachige Literatur ins Arabische, darunter auch das Kinderbuch Das Sams.
- Hadassah Stichnothe hat Komparatistik und Amerikanistik an der Universität Mainz studiert und anschließend in Tübingen promoviert. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen im Post-Doc-Projekt „Deutsch-jüdische Kinder- und Jugendliteratur nach 1945“. Sie arbeitet zudem als Redakteurin im Bereich Kinder- und Jugendbuchrezensionen für das Portal KinderundJugendmedien.de und ist seit 2014 verantwortlich für die Kinder- und Jugendbuchabteilung der Jüdischen Bibliothek Hannover.
Jugendliteraturpreis wird seit 1956 vergeben
Der Deutsche Jugendliteraturpreis ist mit insgesamt 72.000 Euro dotiert und wird in sieben Kategorien vergeben. Seit 1956 wird er vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestiftet und vom Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ) ausgerichtet.
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Richard Schneider