Deutscher Ärztetag spricht sich für Abrechnung der Dolmetschkosten über Krankenkassen aus

Deutscher Ärztetag Bremen 2022
Bild: Deutscher Ärztetag

Die Ärzteschaft macht weiter Druck: Nach den Berufsverbänden der Psychotherapeuten hat sich jetzt auch der 126. Deutsche Ärztetag dafür ausgesprochen, die Dolmetschkosten in der medizinischen Versorgung über die Krankenkassen abzurechnen. Die Delegierten tagten vom 24. bis 27. Mai 2022 in Bremen.

Verwiesen wird auf den Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP zwei Monate nach der Bundestagswahl vom September 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt hatten. Dort heißt es zu den Zielvorgaben der neuen Regierung kurz und knapp:

Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB [Sozialgesetzbuch] V.

Die Ärztetagsdelegierten fordern nun, diese Absichtserklärung möglichst schnell umzusetzen. Im Beschlussprotokoll ist festgehalten:

TOP Ic: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik: Aussprache zur Rede des Präsidenten und zum Leitantrag – Aktuelle Fragen der ärztlichen Berufsausübung

Titel: Sprachbarrieren in der medizinischen Versorgung überwinden

Beschluss

Auf Antrag des Vorstands (Drucksache Ic – 06) beschließt der 126. Deutsche Ärztetag 2022:

Der 126. Deutsche Ärztetag 2022 fordert den Gesetzgeber auf, die im Koalitionsvertrag genannte Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung als Bestandteil des SGB V schnell umzusetzen.

Begründung:

Der 124. Deutsche Ärztetag 2021 (DÄT-Drs. I – 43) hat die Notwendigkeit der Übernahme von Dolmetscherkosten – wie zuvor bereits der 122. Deutsche Ärztetag 2019 (DÄT-Drs. Ib – 71 Dolmetscher für die ärztliche Versorgung finanzieren und ausbilden) – erneut herausgestellt. Ohne differenziertes Sprachverständnis ist im ärztlichen Behandlungsprozess keine ausreichende Information und Aufklärung insbesondere von Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund möglich. Der im Gesetz verankerten Informations- (§ 630c BGB) und Aufklärungspflicht (§ 630e BGB) kann in solchen Fällen nicht umfassend genüge getan werden.

Studien gehen von einer Häufigkeit sprachlicher Verständigungsbarrieren zwischen 10 und 30 Prozent bezogen auf Personen mit Migrationshintergrund aus. Ergebnisse der Migrationsforschung zeigen, dass unzureichend gelöste Kommunikationsbarrieren zu einer Beeinträchtigung der medizinischen Versorgungsqualität, einer negativen Wirkung auf Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie zu Fehl-, Unter- und Überversorgung führen können.

Lücken durch fehlende Präsenzdolmetscher ließen sich beispielsweise mit ortsunabhängigen Videodolmetschern oder Telefondolmetschdiensten („24-Stunden-Service“) schließen. In einigen europäischen Nachbarländern sind bereits flächendeckende staatliche Telefondolmetschdienste im Einsatz.

Über die Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer (BÄK) ist die Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung. Sie vertritt die berufspolitischen Interessen der Ärzte in Deutschland. Als Arbeitsgemeinschaft der 17 deutschen Ärztekammern wirkt sie aktiv am gesundheitspolitischen Meinungsbildungsprozess der Gesellschaft mit und entwickelt nach eigenem Selbstverständnis „Perspektiven für eine bürgernahe und verantwortungsbewusste Gesundheits- und Sozialpolitik“.

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Richard Schneider