Leipziger Buchmesse nach fulminantem Neustart fast schon wieder auf Vorkrisenniveau

Leipziger Buchmesse 2023
274.000 Besucher strömten zur ersten Nach-Corona-Buchmesse in Leipzig, eine sehr gute Bilanz. 2019 waren es 286.000. - Bild: Tom Schulze

Überall auf der Messe und in der Stadt war die Freude erlebbar: Die Leipziger Buchmesse ist zurück und mit ihr die Manga-Comic-Con und das Lesefest „Leipzig liest“. Ob bei den Preisverleihungen, Standeröffnungen oder Veranstaltungen – überall war man froh, nach drei Jahren Pause endlich wieder die Messehallen öffnen und Lesebegeisterte wie Literaturschaffende nach Leipzig einladen zu können.

Kurz nach Ende des Bücherfests, das vom 27. bis 30. April 2023 auf dem Leipziger Messegelände stattfand, können die Veranstalter eine erstaunlich positive Bilanz ziehen: Es kamen 274.000 Besucher (2019: 286.000) sowie 2.082 Aussteller (2019: 2.547) aus 40 Ländern (2019: 46). Damit wurden die Normalwerte schon fast wieder erreicht.

Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe, stellt fest:

Ohne die Leipziger Buchmesse geht es nicht. Wie sehr sie allen gefehlt hat, zeigen die vielen emotionalen Worte, die in den vergangenen Tagen gefallen sind. Die Buchmesse war ein großes Fest der Literatur. Das zeigen die 274.000 Lesebegeisterten, die zur Leipziger Buchmesse und dem Lesefest „Leipzig liest“ gekommen sind.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, pflichtet ihm bei:

Was für ein Comeback! Die Leipziger Buchmesse hat aufs Beste bewiesen, warum sie im Bücherfrühling unentbehrlich ist. Nach drei Jahren schmerzvoller Pause hat sie sich erneut als bedeutendes Forum für die Branche und öffentliche Bühne für Bücher und das Lesen gezeigt. Leipzig versprüht Buchbegeisterung an jeder Ecke. Die Branche hat die Messe zum intensiven Austausch genutzt und konnte zeigen, wie engagiert und selbstbewusst sie trotz wirtschaftlicher Herausforderungen ist.

Und Oliver Zille ergänzt als Direktor der Leipziger Buchmesse:

Die Leser haben sich ihre Messe zurückerobert. Die Branche ist begeistert, mit welcher Herzlichkeit und Entspanntheit das Bücherfest gefeiert wurde. Die Autoren sind glücklich, endlich wieder ihr Publikum persönlich getroffen zu haben. Der Schwung der letzten Tage gibt uns Rückenwind für alles Kommende.

Übersetzerzentrum mit vollem Programm

Jürgen Jakob Becker, Geschäftsführer des Deutschen Übersetzerfonds (DÜF):

Der Leipziger Buchmesse ist ein fulminanter Re-Start gelungen, ich bin ganz begeistert. Die drei stärksten Eindrücke in Sachen Übersetzung:

Das Übersetzerzentrum mit dem sehr gut besuchten Veranstaltungspodium hat sich als Publikumsmagnet und als Anlaufpunkt für Übersetzer etabliert – auch für jene, die die deutschsprachige Literatur in die Sprachen der Welt übersetzen. Es gehört deshalb zu den festen Säulen der DÜF-Projektförderung.

Der Preis der Leipziger Buchmesse sorgt seit jeher mit seiner der Übersetzung gewidmeten Kategorie für viel Sichtbarkeit, macht Übersetzung als Kunstgattung stark.

Auch die Ausrichtung eines Übersetzerempfangs ist mehr als eine Geste. Übersetzer sind hier sehr willkommen und spielen eine wachsende Rolle im Messegeschehen.

Leipziger Buchmesse 2023
Zur Eröffnung der Messe war der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen (zweiter von links) angereist, denn Österreich war das diesjährige Gastland. – Bild: Jens Schlüter / LBM

Gastland war Österreich – daher keine Übersetzungsorgien

Unter dem Motto „meaoiswiamia“ feierte Gastland Österreich die Vielfalt seiner Literatur und Sprachen. Welche Vorteile es habe, mehrsprachig beziehungsweise mit mehreren Mundarten gleichzeitig aufzuwachsen, davon berichtete auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Buchmesse.

Rund 200 Autoren aus Österreich kamen nach Leipzig, um am Gastlandstand, auf dem Messegelände sowie im Stadtgebiet bei rund 110 Veranstaltungen Einblicke in die österreichische Literatur und Kultur zu geben.

Katja Gasser war künstlerische Leiterin des Gastlandauftritts. Sie resümiert:

Die Leipziger Buchmesse hat alle Vorstellungen übertroffen. Der größte Glücksmoment war, als zur Eröffnung unseres Gastlandstands kein Plätzchen frei blieb. Der Andrang, die Begeisterung, die übervollen Lesungen, das aufgeschlossene Publikum – einfach beglückend. Die Leute sind gern mit auf Entdeckungsreise gegangen, haben die 400 Quadratmeter „erwandert“ wie eine alpine Landschaft und sich auf Debatten eingelassen.

Unsere Sprachskulptur „meaoiswiamia“ prägte die ganze Stadt. Gastland zu sein, ist eine große Verantwortung und ein Ereignis, das nachhallt – wie die gesamte Buchmesse. Deren Team hat in Leipzig wieder gezeigt, dass die Buchmesse ein gesellschaftlich relevanter Ort ist. Respekt!

Leipziger Buchmesse 2023
Der Stand des Gastlands Österreich. – Bild: Tom Schulze / LBM

Gastland 2024: Niederlande und Flandern

Im Jahr 2024 werden die Niederlande und Flandern Gastland der Leipziger Buchmesse sein. Bettina Baltschev, Kuratorin des Gastlandauftritts Niederlande und Flandern, schildert ihre Eindrücke von der diesjährigen Messe:

Die vollen Hallen und das großartige Publikum haben bestätigt, wie wichtig die Leipziger Buchmesse für das Buch und die Buchbranche ist. Das hat auch dem Gastlandauftritt Niederlande und Flandern 2024 ordentlich Rückenwind verliehen! Der Enthusiasmus hat uns alle mitgerissen. Gemeinsam mit den Besuchern haben wir unser Motto „Alles außer flach“ gefeiert und mit fast 40 Veranstaltungen schon mal „vorgeglüht“.

Deutschland zählt zu den wichtigsten Buchmärkten für unsere Autoren und alle, die die letzten Tage in Leipzig waren – viele das erste Mal –, waren sehr beeindruckt von der Atmosphäre auf der Messe und in der Stadt. Diese positiven Schwingungen nehmen wir natürlich sehr gern mit ins nächste Jahr. Wir freuen uns auf eine Welle an Neuerscheinungen und Übersetzungen, die der Gastlandauftritt mit sich bringen wird.

Inoffizielles Gastland war die Ukraine – kein einziger russischer Verlag anwesend

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Goethe-Institut sowie die Leipziger Buchmesse hatten der Ukraine einen Stand spendiert. Das Programm wurde vom Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Kunst- und Kulturmuseum Mystetskyi Arsenal (Art Arsenal), dem Ukrainischen Buchinstitut und dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen sowie der Bundeszentrale für politische Bildung umgesetzt.

Russische Verlage suchte man in Leipzig vergeblich. In der Länderliste des Ausstellerverzeichnisses fehlte zwischen „Rumänien“ und „Schweden“ der Eintrag „Russland“. Ob die Russen  fernblieben, weil es ihnen wegen der Wirtschaftssanktionen und des dadurch neu errichteten Eisernen Vorhangs nicht möglich war zu kommen, oder ob sie von der Buchmesse ausgesperrt wurden, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Eine entsprechende Frage von UEPO.de an die Leipziger Buchmesse auf Twitter blieb unbeantwortet.

Leipziger Buchmesse 2023, Cosplay
Der Manga-Comic-Con und den Cosplayern wurde deutlich mehr Hallenfläche geboten als früher. – Bild: Jens Schlüter / LBM

Mehr Platz für Manga-Comic-Con: 30.000 Quadratmeter

Für die im Rahmen der Buchmesse stattfindende Manga-Comic-Con war 2023 deutlich mehr Platz als früher reserviert worden. Das kam bei den Liebhabern der Manga-, Anime-, Comic- und Cosplay-Welt gut an. Die in Eigenarbeit aufwändig erstellten Kostüme setzten in allen Messehalenn und besonders beim Cosplay-Wettbewerb am Samstag farbenfrohe Akzente.

Das Angebot der rund 400 Aussteller an Artworks, Dojinshis und Comics sowie Postern, Stickern, Buttons, KaKAO-Karten und Merchandise-Artikeln sowie die über 100 Veranstaltungen, darunter Workshops mit Olschi oder Yunuyei, verstanden es, das Publikum gut zu unterhalten. Ein besonderes Highlight stellten Lesungen und Signierstunden mit bekannten Vertretern der Szene dar.

Danny Achilles, Marketingleiter Tokyopop:

Es fühlt sich an, als würden wir da weitermachen, wo wir 2019 aufgehört haben – nur mit mehr Platz dank des neuen Hallenkonzeptes. Dass die Manga-Comic-Con nun auch in Halle 3 vertreten ist, spricht für die Bedeutung von Mangas und Comics und zeigt, dass auf Trends reagiert wird. Und wir freuen uns sehr, dass trotz der Pause der gleiche Vibe in der Convention-Szene spürbar ist wie vor der Pandemie.

Kiriya Kirihara, Illustratorin und Comic-Artist:

Ich bin seit der ersten Manga-Comic-Con mit einem Stand dabei und sehr froh, dass die Convention endlich wieder stattfindet. Schön am neuen Hallenkonzept finde ich, dass es dieses Jahr im Gegensatz zu 2019 so viele Profistände von Künstlern gibt. Ich schätze den Austausch sehr. Dadurch nähert sich die MCC an die großen europäischen Conventions an. Allerdings muss ich, um die Verlage zu besuchen, die Halle wechseln und somit mehr Zeit abseits des Standes einplanen.

Weitere Ausstellerstimmen

Antje Contius, Geschäftsführerin der S. Fischer Stiftung, und Angelika Salvisberg, Leiterin des Netzwerks TRADUKI:

Die Leipziger Buchmesse war großartig! Das Warten hat sich gelohnt, gemeinsam haben die Literaturen Südosteuropas den Blick auf eine spannende Kulturlandschaft geöffnet und das Publikum hat dieses einzigartige Angebot begeistert angenommen. Wir haben uns riesig gefreut, welcher Andrang bei den knapp 30 Veranstaltungen in der Stadt und auf unserer Bühne TRADUKI-Kafana herrschte – ob bei Lesungen von Größen wie Mircea Cărtărescu oder Newcomern aus Albanien. Rund 50 Autoren und Übersetzer aus 14 Ländern einer politisch komplexen Region haben in Leipzig ein wunderbares Familientreffen erlebt.

Dr. Katharina Meyer, Vorstandsvorsitzende Kurt-Wolff-Stiftung:

Die Leipziger Buchmesse ist die wichtigste und größte deutsche Publikumsmesse und als solche gerade für die kleineren unabhängigen Verlage extrem wichtig. Hier erreichen wir, was uns im Buchhandel nur bedingt gelingt: Sichtbarkeit.

Dabei sitzt uns die Pandemie noch in den Knochen und auch die Ukraine-Krise bringt große Verunsicherung beim Publikum und auch bei den Verlegern. Wir sind sehr stark von Preiserhöhungen im Allgemeinen und auch hier auf der Messe betroffen. Die kleineren, unabhängigen Verlage stehen mit dem Rücken zur Wand.

Damit muss sich auch die Politik auseinandersetzen, wenn sie diese Messe will. Wir als Unabhängige brauchen die Messe, müssen aber schauen, wie wir weiter wirtschaften können. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass gerade die kleinen Verlage das Salz in der Suppe dieser Messe sind.

Dr. Andreas Rötzer, Verleger Matthes & Seitz Berlin:

Die Leipziger Buchmesse ist eine wichtige Kontaktbörse mit Autoren, Lesern und Kollegen: Es ist wie ein großes Klassentreffen. Die Erwartungen waren im Vorfeld gemischt, weil wir nicht wussten, wie der spätere Termin sich nach drei Jahren Pause auswirken würde. Es ist erstaunlich viel los und eigentlich eine Steigerung zu vorher.

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red