
Am 7. Februar 2025 stand die erste Verleihung des von der Stadt Dortmund ausgelobten Dortmunder Comic-Preises an. Mit einer Dotierung von 10.000 Euro dringt die Auszeichnung finanziell in Galaxien vor, die nie ein Comic-Zeichner zuvor gesehen hat.
Dem Aufruf, diesem zumindest für die Comic-Szene historischen Augenblick beizuwohnen, waren rund neunzig am Thema Interessierte aus nah und fern gefolgt.
Erste Preisträgerin ist die 1990 in Hamburg geborene und heute in Berlin lebende Hannah Brinkmann, die für ihre Graphic Novel Gegen mein Gewissen ausgezeichnet wurde.

Brinkmann studierte Grafische Erzählung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg, an der Shenkar School of Engineering and Design in Tel Aviv und der EESI in Angoulême und absolvierte als Stipendiatin des DAAD am Royal College of Arts in London einen Master of Research in Fine Arts & Humanities.

Die Laudatio hielt Dr. Alexander Braun, der seit fünf Jahren die Ausstellungen im famosen „schauraum comic + cartoon“ kuratiert.
Das Konzept der kleinen, aber feinen Präsentationsräume an einer hochfrequentierten Stelle der Innenstadt gegenüber dem Hauptbahnhof zwischen Deutschem Fußballmuseum und Stadt- und Landesbibliothek hat sich bewährt. Es wurde von der Comic-Szene noch besser als erwartet angenommen.
Zwei Ausstellungen pro Jahr brachten Dortmund regelmäßig nicht nur in die Comic-Fachmedien, sondern mit durchweg positiven Kritiken auch ins Feuilleton der überregionalen Presse.
Der Oberbürgermeister kündigte Braun versehentlich als „Professor“ an. Zwar hat der promovierte Kunsthistoriker bereits mehrere Lehraufträge absolviert, aber die höchsten akademischen Weihen stehen noch aus.
In seiner Lobrede schlug Braun einen weiten Bogen von steinzeitlichen Höhlenmalereien über Kinderzeichnungen bis hin zu stilbildenden Comic-Größen wie Will Eisner und stellte den Band Gegen mein Gewissen vor, für den Brinkmann ausgezeichnet wurde.
Gelungene Überraschung: die unverwechselbare Symbolfigur
Dass bei der Preisverleihung ein Blumenstrauß und eine Urkunde überreicht werden würden, war klar. Doch die Organisatoren wollten mehr: „etwas Eigenes“, wie Loriot anmerken würde. Am besten eine Statuette, die so unverwechselbar für den neuen Großpreis der Comicbranche stehen würde, wie der Oscar für die Filmwirtschaft.
Schwierig gestaltete sich jedoch die Ideenfindung, wie Braun ausführte. Angesichts der anhaltenden Geschlechterdiskussionen wurde die Idee, ein Comic-Männeken oder ein weibliches Gegenstück zu entwickeln, rasch verworfen.
Man hätte zur Not eine Nachbildung der überall in Dortmund in Lebensgröße herumstehenden geflügelten Nashörner nehmen können – rund 120 an der Zahl. Doch die wurden ursprünglich im Rahmen einer Werbeaktion für das Konzerthaus geschaffen und haben keinen Bezug zu Comics.

Dortmund hat jetzt „etwas Eigenes“ – den Dodo
Nach allerlei Gedankenspielen mit dem Namen der Stadt verfiel man schließlich auf die Idee, den Dodo zur Symbolfigur des höchstdotierten deutschen Comic-Preises zu machen. Immerhin trägt er in seinem Namen gleich zweimal das Dortmunder Autokennzeichen.
Die um 1690 ausgestorbene, flugunfähige Kreatur ist von Natur aus geradezu die Karikatur eines Vogels. So hässlich, dass sie schon wieder drollig wirkt.
In der Wikipedia heißt es:
Der Dodo oder auch die Dronte, seltener Doudo oder Dudu (Raphus cucullatus, „kapuzentragender Nachtvogel“, Syn.: Didus ineptus), war ein etwa einen Meter großer flugunfähiger Vogel, der ausschließlich auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean vorkam.


König des deutschen Comics lieferte den Entwurf
Mit der Comic-gerechten Umsetzung der Idee wurde kein Geringerer als Ralf König (Der bewegte Mann) beauftragt. Dieser lebt seit Langem in Köln, besitzt aber einen ausgeprägten Dortmund-Bezug. König ist in der Nähe von Soest aufgewachsen und hat später immerhin ein Jahrzehnt in Dortmund gewohnt.


Viel Applaus erhielt Carsten Sommer, der in einem aufwändigen Verfahren die Dodo-Statuette erschuf. Sein Name ist nur wenigen bekannt, aber seine Figuren kennen alle. Zum Beispiel die Fernsehpuppen von Käpt’n Blaubär und Hein Blöd, aber auch sämtliche Merchandising-Figuren aus Kunstharz, die der Feder des Zeichners und Schriftstellers Walter Moers entstammen. (Siehe Link weiter unten.)










Preis geht abwechselnd an Männer und Frauen
Der Dortmunder Comic-Preis soll alle zwei Jahre verliehen werden. In Absprache mit der Politik, die die Auszeichnung finanziert, wurde festgelegt, dass Frauen und Männer abwechselnd bedacht werden. Dass im Premierenjahr eine Frau geehrt werden sollte, war ebenfalls vorgegeben. Auf der Shortlist standen ausschließlich Frauen. 2026/2027 sind dann die Träger von XY-Chromosomen an der Reihe.
Die Einrichtung des Preises wurde im Stadtrat von den Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen unterstützt, wobei die Initiative schon 2023 von den Grünen ausging.
Nicht auf deutschsprachige Autoren und Zeichner beschränkt
Der Kreis der Kandidaten ist übrigens weder auf deutsche noch auf deutschsprachige Comic-Künstler beschränkt. Schon in diesem Jahr kam zum Beispiel mit Zeina Abirached eine libanesisch-französische Autorin und Zeichnerin von Graphic Novels in die engere Auswahl.
Man wird also früher oder später auch im Ausland vom „Dortmund Comic Award“ oder dem „Prix de la bande dessinée de Dortmund“ erfahren.


Gegen mein Gewissen ist nicht die erste, aber die erste größere Veröffentlichung von Hannah Brinkmann. In dem Band arbeitet sie den Suizid ihres Onkels auf – unaufgeregt, einfühlsam und detailliert recherchiert. Der Vorfall machte in den 1970er Jahren bundesweit Schlagzeilen und löste eine Debatte über die Angemessenheit der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern aus.





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Richard Schneider