Hamburg: Im Oktober startet Hamilton-Musical in deutscher Übersetzung

Hamilton
Die Premieren-Besetzung der Hamburger Hamilton-Inszenierung. - Bild: Stage Entertainment

Corona hat den Start um ein volles Jahr verzögert, aber jetzt soll es endlich losgehen: Am 4. Oktober 2022 feiert die Broadway-Sensation „Hamilton“ von Lin-Manuel Miranda in der Musical-Metropole Hamburg Premiere. Die Besetzung der vollständig deutschsprachigen Inszenierung steht fest, die Proben beginnen Mitte August, der Vorverkauf läuft.

Die bekannten Musical-Stars Benét Monteiro (u. a. „Die Eiskönigin“, „Mamma Mia!“) und Gino Emnes (u. a. „Rocky – Das Musical“, „Kinky Boots“, „Tina – Das Musical“) verkörpern die beiden Revolutionäre und Freunde Alexander Hamilton und Aaron Burr, die im Verlauf der mitreißenden Geschichte zu Erzfeinden werden.

Die weibliche Hauptrolle übernimmt ein echter Popstar: Ivy Quainoo, die mit 19 die erste Staffel der Castingshow „The Voice of Germany“ gewann, spielt Hamiltons kluge Ehefrau Eliza.

Ivy Quainoo, Benét Monteiro
Ivy Quainoo spielt die weibliche und Benét Monteiro die männliche Hauptrolle. – Bild: Stage Entertainment

Doppelt so viel Text zu übersetzen wie bei normalen Musicals

An der Übertragung des Welterfolgs aus der Feder des Oscar-nominierten Pulitzer-Preisträgers Lin-Manuel Miranda ins Deutsche haben der Rapper und Musiker Sera Finale und der erfahrene Musical-Übersetzer Kevin Schroeder drei Jahre lang gefeilt – mit viel Feingefühl für die Unterschiede beider Sprachen.

„Das englische Skript hat 25.000 Wörter – doppelt so viele wie normale Musicals, weil darin so viel gerappt wird und rappen schneller geht als singen“, erklärt Sera Finale. „Das war ein ganz schöner Schinken! Aber die deutsche Sprache kann die Originaltexte mit ganz eigener Wortkraft zum Fliegen bringen.“

Kevin Schroeder ergänzt: „Die größte Herausforderung bei der Übersetzung für uns war, alle Aspekte auch auf Deutsch perfekt in Einklang zu bringen und keine Kompromisse in Hinblick auf Natürlichkeit der Sprache und musikalischen Flow zu machen: die Dichte der Reime, Wortspiele, Zitate und Querverweise, die sich durch das ganze Stück ziehen, dazu die geschichtlichen und politischen Inhalte präzise und doch leicht verständlich im extrem hohem Tempo. Das Stück zählt sicher zu den größten Herausforderungen, die ich bisher übersetzen durfte, gleichzeitig haben Musicals selten ein so breites sprachliches Feuerwerk zu bieten. Das hat großen Spaß gemacht.“

Das Ergebnis ihrer Arbeit konnten die beiden bereits auf einem viel beachteten Übersetzer-Kongress des Autorenverbands PEN International präsentieren. Und es hat Hamilton-Schöpfer Lin-Manuel Miranda so begeistert, dass er die deutschsprachige Fassung in den höchsten Tönen lobt und auf YouTube verkündet: „You haven’t lived until you’ve heard ‚Satisfied‘ [einer der Schlüssel-Songs des Stückes] rapped in German!“

So klingt Hamilton auf Deutsch:

Kultursenator: „Hamburg größte Musical-Metropole nach New York und London“

Dr. Carsten Brosda, Vorsitzender des Deutschen Bühnenvereins und Hamburgs Senator für Kultur und Medien, würdigt die Bedeutung des Stückes: „Musicals sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil des vielfältigen Kulturangebots in Hamburg. Mit seinem inhaltlichen und künstlerischen Anspruch hebt Hamilton das Genre Musical auf ein neues Niveau. Dass die erste nicht englischsprachige Inszenierung des Stücks weltweit in Hamburg aufgeführt wird, unterstreicht den Rang der Hansestadt als die größte Musical-Metropole nach dem New Yorker Broadway und dem Londoner West End.“

Der Erfolg des Musicals und sein einzigartiger Musikstil-Mix aus Pop-Balladen, Rap-Battles, Soul-Elementen und R&B sind selbst mit dem Begriff „Sensation“ nur unzureichend umschrieben. Seit der Uraufführung im Januar 2015 zieht die Produktion Publikum und Kritiker gleichermaßen in ihren Bann.

Allabendlich ausverkauft, ist „Hamilton“ seit Jahren das begehrteste Theaterticket in New York und London und mit mehr als 50 Auszeichnungen und Theaterpreisen einsamer Rekordhalter.

Hamilton-Logo
Bild: Stage Entertainment

Hamilton ist einer der Gründerväter, …

Das Musical ist so emotional und faszinierend wie das Leben des US-Gründervaters selbst, der sich im 18. Jahrhundert als Waisenjunge und karibischer Einwanderer bis an die Spitze der nationalen Politik hocharbeitete. In rasantem Tempo tanzen, rappen, singen, erzählen, streiten und lieben sich die Protagonisten des Stücks durch die drei Jahrzehnte umfassende Geschichte vom Aufstieg und Fall des Alexander Hamilton.

Als unehelicher Sohn in prekären Verhältnissen auf Nevis, einer karibischen Insel, aufgewachsen, waren Alexander Hamiltons sagenhafte Karriere und Lebensleistung alles andere als vorgezeichnet. Er verkörpert damit den amerikanischen Traum, lange bevor dieser Ausdruck überhaupt entstanden ist.

Mit viel Mut, Charme und Intelligenz wurde er Adjutant George Washingtons, heiratete in eine der angesehensten Familien des Landes ein, kämpfte im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer, entwarf die neue Verfassung und wurde erster Finanzminister der USA. Er starb 1804 an den schweren Verletzungen nach einem Duell mit seinem Rivalen Aaron Burr.

… aber in Europa praktisch unbekannt

Den Namen Hamilton kennt in den Staaten jedes Kind, sein Konterfei ziert den 10-Dollar-Schein. Aber interessiert das auch die Europäer?

Alexander Hamilton als historische Figur ist in Kontinentaleuropa der breiten Öffentlichtkeit vollkommen unbekannt. Die Thematik des Musicals unterscheidet sich fundamental von anderen Stücken wie Cats oder Phantom der Oper. Das könnte den kommerziellen Erfolg durchaus schmälern. Und Rap ist auch nicht jedermanns Sache.

Das Hamburger Experiment dürfte auch im Ausland aufmerksam verfolgt werden. Davon, ob die deutsche Übersetzung funktioniert, wird auch abhängen, ob man es wagen wird, weitere Übertragungen – etwa ins Französische – in Angriff zu nehmen.

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Stage Entertainment, Richard Schneider

 

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