Der Stadtrat von Zwickau hat am 29. Juni 2023 mit breiter Mehrheit beschlossen, dass sich die Stadtverwaltung und die Eigenbetriebe der viertgrößten Stadt Sachsens künftig an die amtlichen Rechtschreibregeln halten. Dies gilt sowohl für die interne als auch die externe Kommunikation. Auf ideologisch motivierte Schreibungen mit Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt soll verzichtet werden.
Die im Rat der Stadt jetzt angenommene Beschlussempfehlung im Wortlaut:
Beschlussempfehlung
des Haupt- und Verwaltungsausschusses aus der Sitzung am 16.05.2023
Gendersprache in der Werbung des Theaters Plauen/Zwickau
Folgende abweichende Beschlussempfehlung wurde zum Antrag gemäß § 2 Abs. 2 GO des Stadtrates – Nr.: AN/029/2022 vom 28.11.2022 abgegeben:
Der Stadtrat beschließt, dass in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben der Stadt Zwickau, sowohl in der internen als auch externen Kommunikation keine Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder andere verkürzte Formen zur Kennzeichnung geschlechtsspezifischer Bezeichnungen im Wortinnern zur Anwendung kommt. Vielmehr sollen die Vorgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung als Grundlage der Kommunikation Gültigkeit haben. Sie sollen die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum wahren und deren Weiterentwicklung auf der Grundlage eines vom Rat der deutschen Rechtschreibung bestimmten orthographischen Regelwerkes sicherstellen.
Weiterhin wird die Oberbürgermeisterin beauftragt, in den Beteiligungen der Stadt Zwickau (siehe Beteiligungsbericht) ihren Einfluss geltend zu machen, die oben genannten Regeln anzuwenden.
Constance Arndt
Ausschussvorsitzende
Eingegangen am: Montag, 12. Juni 2023
Eigentlich hatte AfD nur Theatermachern vors Schienbein treten wollen
Der Beschluss geht ursprünglich auf eine Initiative der AfD aus dem vergangenen Jahr zurück. Die Partei hatte sich über die linken Theatermacher echauffiert, die in ihren Programmheften gendern. Dort ist dann etwa von „Darsteller:innen“ die Rede. Dazu hatte die Alternative für Deutschland folgenden Antrag eingebracht:
Stadtrat der Stadt Zwickau
6. Wahlperiode
Antrag
Fraktion AfD
zur Aufnahme eines Verhandlungsgegenstandes auf die Tagesordnung der Sitzung Stadtrat 15.12.2022 gemäß § 2, Abs. 2 der Geschäftsordnung des Stadtrates
Gendersprache in der Werbung des Theaters Plauen/Zwickau
Der Stadtrat möge beschließen:
Die Oberbürgermeisterin wird durch den Stadtrat beauftragt, in der Gesellschafterversammlung des Theaters Plauen/Zwickau ihren Einfluss geltend zu machen, dass bei sämtlichen Werbemaßnahmen in Wort und Ton ausschließlich die deutsche Schriftsprache gemäß Duden zur Anwendung kommt.
Begründung:
Erfolgt mündlich
Dr. Wolfgang Elsel
Fraktionsvorsitzender
CDU und FDP entwickeln in Ausschüssen Regelung für gesamte Stadtverwaltung
In den Ausschüssen wurde die Sache dann aber ein halbes Jahr lang eingehender erörtert. Schließlich wurde unter Federführung der CDU und FDP eine grundlegende Regelung für die gesamte Stadtverwaltung erarbeitet.
Die daraus hervorgehende Beschlussempfehlung des Haupt- und Verwaltungsausschusses fand jetzt im Stadtrat eine klare Mehrheit und erhielt sogar zumindest eine Stimme von der SPD.
Die Sitzverteilung im 48-köpfigen Stadtrat: CDU 11 Sitze, AfD 11, Linke 8, Bürger für Zwickau (BfZ) 5, SPD 5, Grüne 3, Tierschutz 1, Sonstige 1.
Theater Plauen-Zwickau will trotzdem weiter gendern
Generalintendant Dirk Löschner und Geschäftsführerin Sandra Kaiser von der Theater Plauen-Zwickau gGmbH kritisieren in einer Erklärung auf der Website des Hauses den Beschluss des Stadtrats:
Das Gender-Verbot des Zwickauer Stadtrates ist aus Sicht der Leitung des Theaters Plauen-Zwickau der untaugliche Versuch, eine Debatte, welche die gesamte Gesellschaft beschäftigt, mittels eines Verbots zu beenden.
Der Beschluss gelte zwar für die städtischen Bediensteten, nicht aber für die kreative Truppe am Theater, denn:
Das Theater Plauen-Zwickau selbst ist durch die Kunstfreiheit geschützt.
Das sehen die Gesellschafter des Theaters, die Städte Zwickau und Plauen, anders.
Stadtratsbeschlüsse zurzeit beste Strategie gegen das Gendern
Genderleitfäden werden in der Regel von der Gleichstellungsbeauftragten ohne Diskussion und ohne jede demokratische Legitimierung gegen den Willen der städtischen Bediensteten eingeführt. Genießt die Gleichstellungsbeauftragte die Rückendeckung der Stadtoberen, kann man dagegen wenig unternehmen.
In Städten und Gemeinden mit konservativer Mehrheit ließe sich dem Gender-Spuk schnell ein Ende bereiten, wenn die CDU ein wenig mutiger wäre und weniger Angst vor schlechter Presse hätte. Ein Ratsbeschluss wie in Zwickau legitimiert die Entscheidung auf breiter demokratischer Grundlage und ist unanfechtbar.
Komplizierter und langwieriger gestaltet sich die Angelegenheit in Städten mit stabil roten oder rot-grünen Mehrheiten wie etwa Hamburg. Dort muss ggf. über Instrumente direkter Demokratie (Volksinitiativen, Volksbegehren und Ähnliches) eine noch breitere demokratische Grundlage geschaffen werden, um Genderleitfäden außer Kraft zu setzen.
Dass dies nicht aussichtslos ist, zeigt die 2023 gestartete Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, die im laufenden Verfahren bislang jede Hürde auf dem Weg zum Ziel mühelos übersprungen hat.
Weiterführender Link
- YouTube: Mitschnitt der Zwickauer Stadtratssitzung vom 29.06.2023 zum Tagesordnungspunkt 4.1 Gendern (39 Minuten)
- 2023-03-01: Was fordert die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“?
- 2022-11-10: Nach CDU-Antrag: Landtag Thüringen lehnt Gender-Sprache mehrheitlich ab
- 2021-09-15: Gendern: CSU-Parteitag spricht sich gegen „gendermoralistische Sprachakrobatik“ aus
Richard Schneider