IALT Leipzig: Russisch bleibt für Übersetzer erhalten, wird im Dolmetschbereich aber zurückgefahren

Uni Leipzig, Hauptgebäude
Das Hauptgebäude der Universität Leipzig, in dem sich auch die Dolmetschübungsanlage befindet. - Bild: Christian Hüller / SUK Uni Leipzig

Im Februar und März 2019 machten am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) der Universität Leipzig Nachrichten die Runde, die Schwerpunktsprache Russisch stehe möglicherweise vor dem Aus.

Hintergrund und Ursache der Entwicklung waren Sparbeschlüsse der Landesregierung aus dem Jahr 2010, die von der Universität hauptsächlich in Form eines sozialverträglichen Personalabbaus umgesetzt wurden. Auf allen Ebenen wurden Stellen von Mitarbeitern, die planmäßig in den Ruhestand gingen, nicht wiederbesetzt.

Davon sind nun auch Lehrkräfte für Russisch am IALT betroffen. Bereits in den vergangenen Jahren konnte das Angebot für diese Sprache nur durch Mithilfe anderer Abteilungen der Universität aufrechterhalten werden.

Seit den ersten Hiobsbotschaften ist ein halbes Jahr vergangen, das neue Wintersemester hat bereits begonnen. Wie ist der Stand der Dinge in Sachen Russisch? Und was gibt es sonst Neues am IALT?

Das haben wir Prof. Dr. Oliver Czulo gefragt, den geschäftsführenden Direktor des Instituts.

Fakultätsrat: Auch künftig kann man am IALT Russisch studieren

Oliver Czulo
Prof. Dr. Oliver Czulo

(1) In den vergangenen Monaten liefen hinter den Kulissen vielfältige Bemühungen, das Lehrangebot für Russisch zu erhalten. Sowohl der Fachschaftsrat, also die studentische Vertretung, als auch der Fakultätsrat haben sich mit dieser Frage befasst. Was ist dabei herausgekommen?

Russisch wird auch weiterhin Sprachoption am IALT sein. Wir bemühen uns außerdem, das jetzt absehbare Angebot weiter auszubauen und dafür starke Partner zu finden.

Die Änderungssatzung, die der Fakultätsrat diesen Dezember auf den Weg gebracht hat, beschreibt einen neuen Zustand: Russisch wird demnach im Wahlbereich angeboten und soll zukünftig hauptsächlich über Kooperationen abgedeckt werden. Nach der letzten Stellenkürzung ist das IALT einfach nicht mehr in der Lage, Russisch vollumfänglich selbst abzudecken.

(2) Also bleibt Russisch weiter im Angebot, aber nicht mehr in dem bisherigen Umfang?

Zunächst: Alle, die sich bisher am IALT im Bachelor oder Master für Übersetzen oder Dolmetschen mit Schwerpunkt Russisch eingeschrieben haben, können ihr Studium ganz normal zu Ende führen.

Auch in Zukunft wird man bei uns übersetzungsbezogen Russisch studieren können. Im Dolmetschbereich werden wir aber nicht mehr annähernd das alte Angebot aufrechterhalten können, dazu sind die gerissenen Lücken zu groß.

(3) Was bedeutet das konkret für die drei Leipziger Studiengänge Bachelor Translation, Master Translatologie und Master Konferenzdolmetschen?

Der Stand nach Inkrafttreten der Änderungssatzungen wäre folgender: Wir können im Bachelor Translation in Kooperation mit der Ostslawistik und aus eigener Leistung im Master Translatologie die Sprachoption Russisch anbieten, in beiden Fällen im Wahlbereich.

Dabei handelt es sich im Bachelor Translation um den Bereich der russischen Sprache und Kultur, neben den üblichen sprachübergreifenden translatologischen Kerninhalten und einer Schwerpunktsprache, also Englisch, Französisch oder Spanisch.

Im Master Translatologie kann dann das Fachübersetzen Russisch belegt werden, wiederum mit einer anderen Sprache als Kernfach. Veranstaltungen mit Dolmetschbezug Russisch sind nur im Einzelfall für den Wahlbereich im Master Translatologie realisierbar.

Dolmetschübungsraum
Das IALT Leipzig verfügt über sehr gute technische Voraussetzungen für die Ausbildung von Konferenzdolmetschern.

Interesse an russischer Sprache hat nachgelassen

(4) Nach der Wende galten die neuen Bundesländer noch lange als Russisch-Hochburgen, weil die Sprache zuvor über Jahrzehnte wichtigste Fremdsprache in den Schulen war. Auch die Universitäten konnten so auf Russisch-Kenntnissen der Studierenden aufbauen, von denen die Institute im Westen nur träumen konnten. Inzwischen sind drei Jahrzehnte vergangen und das Russische hat in den Schulen enorm an Boden verloren. Wie haben sich am IALT die Einschreibezahlen für Russisch in den letzten Jahren entwickelt?

Es ist schon länger spürbar, dass sich das Interesse an der Sprache deutlich verringert hat. Man könnte nun darüber sinnieren, dass derzeit Englisch als eine Art Lingua Franca gegenüber anderen Sprachen bei den Studierenden einfach ganz vorne liegt, aber man könnte sich ebenso vorstellen, dass mit einem personell gut unterfütterten Angebot und einer zukunftsgerichteten Konzeption von Lehrinhalten mehr für Russisch möglich wäre.

Mit Blick darauf suchen wir, mit Unterstützung des Rektorats, nach Möglichkeiten, das Russischangebot mit Hilfe von Partnern weiterzuentwickeln. Wir sollten jedenfalls nicht vergessen, dass auch unsere zukünftige Welt nicht einsprachig sein wird.

Digital Humanities neu eingeführt, Arabisch und Tschechisch sollen tiefer integriert werden, Portugiesisch angedacht

(5) Was gibt es sonst Neues am IALT?

Wir arbeiten am IALT weiterhin daran, mit Hilfe von Kooperationspartnern unser Gesamtangebot auszubauen:

  • Seit Kurzem gibt es im Master Translatologie einen Wahlbereich Digital Humanities, der von der entsprechenden Abteilung der Informatik angeboten wird und unsererseits von Veranstaltungen wie der Vorlesung Translationstechnologie oder Projektkursen in der Softwarelokalisierung flankiert wird. So haben wir in Leipzig auch ein digital orientiertes translatologisches Angebot.
  • Mit der Sprach- und Übersetzungswissenschaft der Arabistik arbeiten wir daran, Arabisch tiefer als dies bisher schon der Fall ist als vollwertige Wahlmöglichkeit in die IALT-Studiengänge zu integrieren.
  • Ähnliches schwebt uns für das Tschechische in Kooperation mit der Westslawistik vor.
  • Mit der Romanistik wollen wir außerdem Pläne für ein Portugiesisch-Angebot konkretisieren.

Bei all diesen Vorhaben gilt aber, wie fürs Russische, dass es für die Realisierung dieser Angebote ohne Ressourcen von außerhalb des IALT nicht ginge. Und ohne eine starke translatologische Kernausbildung, die das IALT liefert, wären sie ebenso wenig vorstellbar.

Unsere Kooperationspartner wissen, dass sie von uns ein translatologisches Kernangebot bekommen, das hochqualitativ und in dieser Form an keinem anderen universitären Standort in Ostdeutschland möglich ist.

Vielen Dank, Herr Professor Czulo, dass Sie so kurzfristig bereit waren, unsere Fragen zu beantworten.

Über Oliver Czulo

Univ.-Prof. Dr. Oliver Czulo ist seit 2017 Professor für Translationswissenschaft am IALT der Universität Leipzig. Darüber hinaus ist er geschäftsführender Direktor des Instituts.

Von 2007 bis 2017 war er am FTSK Germersheim der Universität Mainz tätig, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als Juniorprofessor. Sein Studium der Computerlinguistik absolvierte Czulo an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, wo er auch zu einem Thema der Maschinellen Übersetzung promoviert hat.

Uni Leipzig, geisteswissenschaftliches Zentrum
Die Räumlichkeiten des IALT befinden sich im Geisteswissenschaftlichen Zentrum (GWZ).

Seit 1956 Sprachmittler-Studiengänge an zweitältester Uni Deutschlands

Siegel Uni LeipzigIn der Universitätsstadt Leipzig wurden schon zwischen 1937 und 1945 Übersetzer und Dolmetscher an verschiedenen privaten und öffentlichen Schulen ausgebildet. Die 1945 entstandene kommunale Fremdsprachenschule der Stadt Leipzig wurde 1949 in eine staatliche Fachschule umgewandelt. Vier Jahre später wurde daraus die Fachrichtung Dolmetscher und Übersetzer des neugegründeten Pädagogischen Instituts Leipzig.

Am 1. September 1956 erfolgte schließlich die Gründung des Dolmetscher-Instituts als akademische Ausbildungseinrichtung an der Karl-Marx-Universität, die 1409 als Alma mater Lipsiensis gegründet wurde und nach der Universität Heidelberg die zweitälteste Uni Deutschlands ist.

Am 24. Januar 1969 wurde die Sektion Theoretische und Angewandte Sprachwissenschaft (TAS) für die Ausbildung in fremdsprachigen Philologien einschließlich der Abteilung Sprachmittlung (für die Übersetzer- und Dolmetscherausbildung) gegründet.

Nach tief greifenden Umstrukturierungen entstand im Dezember 1993 das Institut für Sprach- und Übersetzungswissenschaft (ISÜW), das seit 1999 Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) heißt. Es gehört zur Philologischen Fakultät, der zweitgrößten von 14 Fakultäten der Universität Leipzig.

Großes, auch internationales Renommee erfuhr das Leipziger Institut durch die Leipziger Schule der Übersetzungswissenschaft, die ab den 1960er Jahren bis weit in die 1980er Jahre mit den Professoren Albrecht Neubert (1930-2017), Otto Kade (1927-1980) und Gert Jäger (*1935) verbunden war. Sie prägte viele grundlegende Begriffe dieser interdisziplinären Wissenschaft, so auch den Ausdruck „Translationswissenschaft“ (Translatologie), der neben dem Übersetzen auch das Dolmetschen umfasst. Damit wurde das allen Formen der Sprachmittlung Gemeinsame in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.

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[Die Fragen stellte Richard Schneider. Bildmaterial: Stabsstelle Universitätskommunikation (SUK) der Universität Leipzig.]