Englisch als Gerichtssprache – Bundestag beschließt Einführung von Commercial Courts

Justitia-Statue
Bild: William Cho / Pixabay

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli 2024 den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit“ angenommen.

Für den im parlamentarischen Verfahren noch geänderten Gesetzentwurf stimmten nach der Debatte die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU. Die AfD-Fraktion stimmte gegen den Entwurf. Die Gruppe Die Linke enthielt sich. Der Entscheidung lag eine Beschlussvorlage des Rechtsausschusses (20/11466) zugrunde.

Mit dem sogenannten Justizstandort-Stärkungsgesetz sollen die Bundesländer ermächtigt werden, spezialisierte Spruchkammern für Handelssachen einzurichten, vor denen in englischer Sprache verhandelt werden kann. Davon verspricht sich die Bundesregierung eine Stärkung des Justizstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb sowie mit privaten Schiedsgerichten.

FDP: Wichtiger Schritt für Justizstandort Deutschland

Für die FDP-Fraktion sprach Dr. Thorsten Lieb von einem „wichtigen Schritt für den Justizstandort Deutschland“. Damit werde auch das „kooperative Wettbewerbsverhältnis zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit“ gestärkt. Mit dem Gesetz gelinge es, „international auf Augenhöhe insbesondere mit Großbritannien und den Niederlanden zu kommen“, so der Liberale.

Union: Tag der verpassten Chancen

Für die CDU/CSU-Fraktion sprach Dr. Martin Plum von einem „Tag der verpassten Chancen“. Er kritisierte, dass die Koalition etwa beim Thema Bürokratieabbau oder beim Pakt für den Rechtsstaat nicht vorankomme.

Grundsätzlich drückte Plum die Unterstützung für das Vorhaben der Commercial Courts aus. Er betonte die Bedeutung der „Reform der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr“. Zwei Anhörungen hätten gezeigt: „Commercial Courts werden nur mit und nicht ohne eine solche Reform ein Erfolgsprojekt.“

SPD: An Englisch führt kein Weg vorbei

Für die SPD-Fraktion verwies Macit Karaahmetoğlu auf die Bedeutung von Gerichtssprachen. In der Weltwirtschaft führe „an Englisch als Verhandlungssprache kein Weg vorbei“. Der Justizstandort Deutschland solle künftig wie ein Schweizer Taschenmesser sein: „effizient, zuverlässig, international anerkannt und ausgestattet mit allerlei spezialisierten Werkzeugen“, betonte der Sozialdemokrat.

„Konkurrenzfähig im Welthandel, konkurrenzfähig als Standort der globalen Wirtschaftsjustiz – das ist unsere Vision, das wollen wir erreichen“, sagte Karaahmetoğlu.

AfD warnt vor „Verdrängung“ der deutschen Sprache

Für die AfD-Fraktion kritisierte Fabian Jacobi die Intention des Entwurfes. Der deutsche Staat sei kein Wirtschaftsunternehmen, „welches um Marktanteile zu konkurrieren hat“. Vielmehr müsse der Staat dem Fortbestand der Nation dienen. „Dazu gehört es, dass die Sprache dieser Republik die deutsche Sprache ist und bleibt.“

Jacobi warnte davor, dass nun auch im Kernbereich des Staates, in der Justiz, „der Prozess der Verdrängung unserer Sprache beginnt“. Das berühre den „nationalen und demokratischen Charakter unseres Staatswesens“.

Grüne verweisen auf langjährige Arbeit am Gesetz

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verwies Dr. Till Steffen darauf, dass bereits seit 14 Jahren an diesem Gesetz gearbeitet worden sei. Der Abgeordnete zitierte eingangs dazu aus einer Rede, die er seinerzeit noch als Hamburger Justizsenator im Bundesrat gehalten hatte.

Linke unterstützt Einrichtung für Commercial Courts

Für die Gruppe Die Linke drückte Clara Bünger grundsätzliche Unterstützung für den Entwurf aus.

Die Einrichtung von Commercial Courts sei dazu geeignet, der „Flucht großer Wirtschaftsunternehmen in die Schiedsgerichtsbarkeit entgegenzuwirken“. Das finde die Linke gut. „Wir mögen nämlich keine Unternehmerflüchtlinge“, so Bünger.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

An den von den Ländern einzurichtenden Spruchkammern sollen bedeutende zivilrechtliche Wirtschaftsstreitigkeiten verhandelt werden können, „und das auch in englischer Sprache“, heißt es in dem Entwurf. Nach Auffassung der Bundesregierung bietet die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland insgesamt „nur eingeschränkt zeitgemäße Verfahrensmöglichkeiten“ für solche Streitigkeiten an. „In der Folge werden solche Streitigkeiten vermehrt in anderen Rechtsordnungen oder innerhalb der privaten Schiedsgerichtsbarkeit geführt“, heißt es in der Begründung.

Um dies zu ändern, soll es den Ländern durch Änderungen unter anderem im Gerichtsverfassungsgesetz sowie in der Zivilprozessordnung ermöglicht werden, die Zivilverfahren im Bereich der Wirtschaftszivilsachen für die Gerichtssprache Englisch zu öffnen. Außerdem sollen die Länder die Befugnis erhalten, an einem Oberlandesgericht beziehungsweise an einem Obersten Landesgericht sogenannte Commercial Courts zu etablieren.

„Dabei handelt es sich um einen oder mehrere Zivilsenate, vor denen Wirtschaftszivilsachen ab einem Streitwert von einer Million Euro erstinstanzlich geführt werden können, sofern sich die Parteien auf die erstinstanzliche Anrufung des Commercial Courts verständigt haben“, heißt es in den Entwurf. Als Verfahrenssprache sollen die Parteien zwischen Deutsch und Englisch wählen können.

Revision beim Bundesgerichtshof möglich – ebenfalls auf Englisch

Vorgesehen ist, dass gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen der Commercial Courts eine Revision beim Bundesgerichtshof möglich sein soll. Auch dort soll – im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat – eine „umfassende Verfahrensführung in der englischen Sprache“ möglich sein. Weitere vorgeschlagene Regelungen betreffen den Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

In Stuttgart und Mannheim existieren bereits Commercial Courts

Zudem verweisen die Abgeordneten auf Baden-Württemberg, wo in Stuttgart und Mannheim im geltenden Rechtsrahmen bereits speziell ausgerichtete Kammern entstanden seien.

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