Am 12. Juni 2020 hat der Rechnungshof Österreich seinen Bericht „Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im Innenministerium und Justizministerium“ veröffentlicht. Im Fokus der Kritik des Rechnungshofes steht die mangelnde Zusammenarbeit der beiden Ministerien, die keinen regelmäßigen Informationsaustausch im Dolmetschbereich pflegen.
Überprüft wurden die Jahre 2015 bis 2018. Die Prüfung basiert auch auf Anregungen aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren.
Innen- und Justizministerium sollen im Dolmetschwesen zusammenarbeiten
Sowohl das Innen- als auch das Justizministerium benötigen Dolmetschleistungen. Der Rechnungshof bemängelt die unterschiedlichen Vorgehensweisen der beiden Ministerien, etwa bei der Auswahl und Bestellung von Dolmetschern.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Unterschiede bei der Verrechnung von Leistungen und dem Einsatz technischer Hilfsmittel. Es gab im überprüften Zeitraum weitgehend keine ressortübergreifende Kooperation oder Koordination. Dies wäre schon wegen der Kosten zweckmäßig gewesen.
Durch eine stärkere Zusammenarbeit könnten sich wesentliche Synergieeffekte ergeben, so der Rechnungshof. Er empfiehlt den Ministerien daher, im Bereich Dolmetschen und Übersetzen verstärkt zusammenzuarbeiten.
Landesgericht Graz: 91 Prozent der Aufträge gehen an immer dasselbe Übersetzungsbüro
Die rasche Verfügbarkeit der benötigten Sprachen und die durchgehende Erreichbarkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit waren – im Prinzip nachvollziehbare – Gründe für das Landesgericht für Strafsachen Graz, beinahe alle Aufträge an ein einziges Dolmetschbüro zu erteilen. So erhielt im Jahr 2018 dieses eine Büro 91 Prozent der Aufträge und 88 Prozent der Gebühren für Dolmetscheinsätze.
Der Rechnungshof sieht hier aber die Gefahr eines Abhängigkeitsverhältnisses. Er empfiehlt dem Landesgericht für Strafsachen Graz, Vorkehrungen zu treffen, die das Risiko einer Abhängigkeit des fast ausschließlich beauftragten Dolmetscherbüros minimieren.
Honorare der Justizdolmetscher seit 2007 nicht mehr erhöht
Der Rechnungshof verweist in seinem Bericht auch auf die von den Berufsverbänden seit Jahren kritisierte Bezahlung der österreichischen Justizdolmetscher: 2007 wurden deren Honorare zum letzten Mal „an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse angepasst“, also erhöht.
Für die Teilnahme an Verhandlungen oder Vernehmungen erhalten Gerichtsdolmetscher in Österreich für die erste halbe Stunde zumindest 24,50 Euro, für jede weitere mindestens 12,40 Euro. Für Übersetzungen werden als Mindestsatz 15,20 Euro pro 1.000 Zeichen gezahlt. Entschädigungen gibt es für Reise- oder Wartezeiten und Reisekosten in Form von Kilometergeld oder Fahrscheinerstattungen.
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Anfang der 2000er Jahre hatte ein Übersetzungsbüro Beamte des Landeskriminalamts bestochen, um die Dolmetschaufträge des Amts abgreifen und überhöhte Rechnungen ausstellen zu können. Dem Land Berlin entstand durch die Betrügereien ein Schaden von mindestens 441.000 Euro.
Angeklagt wurden schließlich drei Dolmetscher und drei Rauschgiftfahnder. Der federführende Dolmetscher wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges in 47 Fällen zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Die korrupten Polizisten wurden zunächst mangels Beweisen „knapp freigesprochen“. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft erfolgreich Revision ein. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf. Im Wiederholungsverfahren wurden die Beamten zu Bewährungsstrafen von jeweils sechs Monaten verurteilt.
rs, Rechnungshof Österreich